Eine „Pflegerin wichtigster evangelischer und deutscher Lebensinteressen“.

Die Wiener Evangelisch-theologische Fakultät und ihre Bedeutung für den Protestantismus in Galizien*

 

von Karl W. Schwarz (Wien)

 

 

Zwei Beiträge habe ich bisher im Zeitweiser veröffentlichen können: 1994 über den Osteuropa-Historiker Hans Koch (1894-1959)[1], 2007 über den Religionspädagogen und Dichter Franz Fischer (1895-1975)[2]. Diese beiden Zeitgenossen verband aber nicht nur die Herkunft aus Galizien, Koch stammte aus Lemberg, Fischer aus Dobrzanica bei Unterwalden auf der Podolischen Platte, es verband sie auch der Ort ihres Studiums: beide begannen ihre Berufslaufbahn mit einem Studium an der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien.

 

Die Bedeutung dieser Fakultät für die Protestanten in Ost- und Südostmitteleuropa habe ich schon wiederholt dargestellt[3], hier soll gezielt danach gefragt werden, welche Ausstrahlung sie auf den Protestantismus in Galizien zeitigte.

 

Zunächst aber gilt es, den Protestantismus in Galizien zu umreißen[4]. In einem zweiten Schritt werde ich einige Eckdaten zur Geschichte der Fakultät geben und in einem dritten Schritt einige aus Galizien stammende Persönlichkeiten benennen, die mit der Fakultät in besonderer Weise verbunden waren.

 

I.

Der Protestantismus in Galizien

Galizien war bei der ersten Teilung Polens 1772 an Österreich gefallen und als Königreich Galizien und Lodomerien dem österreichischen Kaiserstaat angegliedert worden. Der ungarische König trug in seinem großen Titel auch dessen Königstitel: Rex Galiciae et Lodomeriae (in der Erinnerung an König Andreas im 12. Jahrhundert), später auch der österreichische Kaiser.

 

Galizien und Lodomerien, das war ein Landstrich von ca. 84.000 Quadratkilometern, mit etwa 2,6 Mill. Einwohner (Militärkonskription von 1776), Polen, Deutsche, Ruthenen, Armenier, Juden. Bei der dritten Teilung Polens kamen noch 47.000 Quadratkilometer hinzu: das sogenannte Neu- oder Westgalizien. Das Gebiet war stark verödet, weshalb unter dem 1. Oktober 1774 Kolonisten aus Deutschland angeworben wurden, hauptsächlich Katholiken. Protestanten durften sich nur in vier Städten niederlassen: Lemberg, Jaroslau, Zamość und Zaleszczyki[5], später kam noch Kazimierz und Brody dazu, die eine vereinigte Gemeinde mit Sitz in Lemberg bildeten. Unter Joseph II. wurden auch vermehrt Protestanten berücksichtigt[6]. 1784 kam es zu einer größeren Auswanderungswelle aus der Pfalz, wo vorher Überschwemmungen wüteten und viele Bauern ruinierten. 15.000 Pfälzer Exulanten sind damals nach Galizien gewandert und haben sich in diesem Landstrich ansiedeln lassen, davon waren 60% evangelischer Konfession, Lutheraner und Reformierte.

 

Schon vor dem josefinischen Toleranzpatent (1781) bestanden zwei Gemeinden,  denn die Habsburger hatten bei der Übernahme dieses Königreiches die Religionsfreiheitsgarantien des Warschauer Traktates (1768) zugunsten der Orthodoxen und der Dissidenten bestätigen müssen[7]. Zu diesen zwei Gemeinden  gesellten sich im josefinischen Jahrzehnt 21 Neugründungen hinzu[8], die in vier Seniorate gegliedert waren, das westliche Seniorat, das mittlere Seniorat, das östliche Seniorat und schließlich das Helvetische Seniorat (H.B.)[9].

 

Die ältesten evangelischen Gemeinden Galiziens waren freilich jene in der Grenzstadt Biala[10] und in dem benachbarten Lipnik-Kunzendorf, deren Anfänge in die Reformationszeit reichen, durch die Gegenreformation allerdings unterbrochen wurden[11], sowie jene in Zaleszczyki[12], am östlichen Grenzfluss Dniestr gelegen.

 

Unter den von Joseph II. eingeladenen Siedlern befanden sich auch etwa dreißig mennonitische Familien, ca. 130 Personen[13], deren täuferische Tradition auf Menno Simons (1496-1561) zurückging. Sie fielen durch ihr programmatisches Laienpriestertum auf, weiters durch ihre Ablehnung der Kindertaufe, des Militärdienstes und der Eidesleistung. Sie beriefen sich auf die Heilige Schrift und versuchten ein konsequentes Leben in der Nachfolge Jesu zu führen. Durch ihre Ablehnung der Kindertaufe stellten sie sich gegen ein Fundamentalgesetz der damaligen Gesellschaft und wurden sowohl von den altgläubigen Katholiken als auch von den neugläubigen Protestanten in gleicher Weise verfolgt. Am ehesten konnten sie in den Schweizer Alpen versteckt überdauern, in Holland und in der freien Reichsstadt Straßburg, wo sich diese Täufer (Anabaptisten/Wiedertäufer wurden sie von Luther geschimpft) niederließen, zeitweise siedelten sie auch in Mähren („Hutterer“), wo sich die Familie Liechtenstein ihrer annahm. Weil sie im Hl. Römischen Reich deutscher Nation überall verfolgt wurden und weil das Reichsreligionsrecht ihr Glaubensbekenntnis (Schleitheimer Bekenntnis von 1527) nicht schützte, wichen sie in Territorien außerhalb des Reiches aus, nach Preußen, an der Weichselmündung. Und auch bei der Besiedelung Galiziens nahm sie Kaiser  Joseph II. ausdrücklich (und gegen den Widerstand der Hofkanzlei) auf und erlaubte ihnen, sich in Falkenstein, Einsiedel und Rosenberg anzusiedeln.

 

In dem vermutlich um 1805 angelegten Familienbuch der Mennoniten heißt es dazu[14]:

Im Jahr 1780 hat der huldreiche Kaiser Joseph II. ein Patent ausgesendet, dass deutsche Familien in Ungarn und Polen oder Galizien anzusiedeln sein Wunsch wäre. So haben die Mennoniten auch hierwegen die untertänigste Anfrage getan, und haben von dem allerdurchlauchtigsten Monarchen das genehmigte gütliche Annahmedekret erhalten. Hierauf sind im Jahr 1784 und 1785 aus verschiedenen Gegenden des deutschen Reiches, aus der Schweiz abstammend, 28 Familien nach Galizien eingewandert, und davon sind in Falkenstein sieben, in Einsiedel 18, und in Rosenberg drei Familien angesiedelt worden und wohnhaft.“

 

Diese erwiesen sich als ausgezeichnete Fachleute für die Landwirtschaft, ihre Tüchtigkeit wurde schon von den Zeitgenossen in Galizien gerühmt.  Deshalb erhielten sie sogar einzelne Privilegien, die mit ihrem religiösen Bewusstsein zusammenhingen. Sie wurden von der Rekrutierungspflicht befreit, mussten dafür allerdings ein sog. Milizgeld, eine Militär-Ersatz-Steuer entrichten. Sie wurden auch von der Eidespflicht entbunden. Ein allerhöchster landesfürstlicher Erlass stellte 1815 klar, dass ihre mit Handschlag bekräftigte Aussage einer Beeidigung gleichzusetzen sei, eine Rechtsbestimmung, die heute noch in Österreich in Kraft ist. Die Mennonitische Secte, wie die Bezeichnung durch die zeitgenössische Verwaltung lautete, wurde institutionell der evangelischen Superintendenz A.u.H.B. angegliedert. In einem Hofkanzleidekret aus dem Jahre 1789 heißt es[15]: Die Mennoniten sollen „weil ihre Secte nicht öffentlich, sondern nur stillschweigend toleriert ist, als Lutheraner betrachtet und in dem diesfälligen Ausweis unter der für die letzteren bestimmten Rubrik angeführt werden (…)“. Sie wurden somit dem Pastorat von Dornfeld zugeordnet, bei dessen Besoldung sie mitzuwirken verpflichtet waren. Daraus sind unerquickliche Streitigkeiten erwachsen, die erst abgestellt werden konnten, als auf diese finanzielle Beteiligung verzichtet wurde. Es wurde ihnen allerdings verboten, für ihre Glaubenshaltung zu werben, sie durften auch keine konfessionellen Mischehen mit Katholiken und Protestanten eingehen.

 

Das Eherecht und die religiöse Kindererziehung war ein ständiger Anlass für Konflikte zwischen den Kirchen. Die Protestanten beriefen sich auf die Religionsbestimmungen des Warschauer Traktates[16], der eine paritätische Kindererziehung vorsah – nach dem Grundsatz „sexus sexum sequitur“: Knaben nach der Konfession des Vaters, Mädchen nach jener der Mutter. Die Katholiken beriefen sich hingegen auf das josefinische Toleranzpatent von 1781, das ihnen eine bevorrechtigte Stellung einräumte und bei einem katholischen Vater alle Kinder in dessen Konfession zu erziehen vorschrieb[17]. Außerdem hatte der Warschauer Traktat den Nicht-unierten Griechen, so wurden die Griechisch-Orthodoxen in der Kanzleisprache genannt, und den Protestanten ein öffentliches Religionsexerzitium eingeräumt, das die Parochialrechte umfasste, also die Standes- und Matrikenführung durch dieselben vorsah. Nach dem Toleranzpatent wurde die günstigere Rechtsstellung der Protestanten sukzessive zurückgenommen und das Mischehe- und Kindererziehungsrecht in der für die Akatholiken ungünstigeren Fassung bestätigt, wie sie das Toleranzpatent vorsah (ABGB 1795/1812).

 

Diese Konflikte zermürbten die Superintendenten, die einen außerordentlich weitläufigen Aufsichtsbereich zu visitieren hatten. Die Gemeinden in Galizien, die nach dem Toleranzpatent 1784 zuerst an die Mährisch-Schlesische Superintendentur in Teschen angeschlossen worden waren, bildeten seit 1804 eine eigene Superintendenz A.u.H.B., zu der auch die Gemeinden in der Bukowina dazu geschlagen wurden.

 

Es war eine extreme Diasporalage, die von ihnen dokumentiert wurde[18]. Die Feststellung der „Seelenzahlen“ gehörte zu den regelmäßigen Visitationsreisen dazu. Sie waren so aufwändig und anstrengend, dass die ersten Oberhirten schon nach kurzer Wirkungszeit verstarben. Ich nenne ihren Namen, wobei aus den Lebensdaten die kurze Wirkungszeit zu entnehmen ist. Die ersten drei stammten aus der Zips: Josef Paulini (1770-1806), Samuel Bredetzky (1772-1812) und Samuel Fuchs (1770-1817). Dann folgten zwei Sachsen: Friedrich Wilhelm Stockmann (1788-1831) und Adolf Theodor Haase (1802-1870). Erst den zuletzt Genannten war ein längeres Wirken als Superintendent in Lemberg (1818-1831; 1835-1870) vergönnt, Letzterer war seit 1861 auch Mitglied des Herrenhauses in Wien. Hans Koch hat ihm, seinem Sohn Karl Theodor (1834-1909) und seinem Enkel Wolfgang (1870-1939) eine berührende Erzählung „Ein hohepriesterliches Geschlecht“ gewidmet[19], das sich mit Stolz auf den kursächsischen Kanzler Christian Beyer (1482-1535) zurückführte. Von diesem ist bekannt, dass er 1530 vor Kaiser und Reich die Confessio Augustana in deutscher Sprache vorgetragen hat.   

 

Bredetzky  hatte an den kirchlichen Lyzeen in Ungarn seine Ausbildung genommen, ehe er 1796 an die Salana nach Jena wechselte[20], wo er einen umfassenden theologischen Studiengang absolvierte. Er hatte später die erste „Seelenzählung“ durchgeführt und in den 17 lutherischen Pastoraten 2181 Familien mit insgesamt 11.913 Personen registriert,  dazu kamen in zwei reformierten Gemeinden 59 Familien bzw. 534 Personen dazu[21]. Er widmete sich auch geographischen[22] und ethnologischen Studien und verfasste einschlägige Untersuchungen, die zur Standardliteratur über Galizien zählen[23], als Reiseschriftsteller ist er nicht vergessen[24].  

 

1846 wurden knapp 50.000 Deutsche geschätzt, das war knapp 1% der Bevölkerung, darunter befanden sich 24.000 Evangelische[25], bis zum Jahre 1910 stieg diese Zahl der Evangelischen auf über 37.000.

 

 

II.

Zur Geschichte der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien

Mit der Frage, woher die Gemeinden ihre Pastoren holten, leite ich zum zweiten Teil des Vortrags über.

 

In den ersten Jahren kamen die Pastoren überwiegend aus Deutschland, aus Polen oder aus Ungarn. Am Beispiel der ersten drei aus der Zips stammenden Superintendenten kann gezeigt werden, dass zum Curriculum eines evangelischen Theologen im Königreich Ungarn nicht nur der häufige Schulwechsel gehörte, um alle landesüblichen Sprachen zu erlernen, sondern auch der Schulbesuch der kirchlichen Lyceen, an deren Oberstufe neben der Philosophie auch die biblischen Sprachen gelehrt und eine theologische Propädeutik angeboten wurden[26]. Solche Lyceen bestanden für die Lutheraner in Pressburg/Pozsony/Bratislava, in Ödenburg/Sopron und in Eperies/Prešov; die Reformierte Kirche besaß ebenfalls in allen Distrikten sogenannte Kollegien, deren bekannteste jene in Sárospatak, Debrecen und Pápa gewesen sind. Der Organisationsgrad des theologischen Ausbildungsganges war sehr unterschiedlich und reichte von einem einzelnen  Lehrstuhl aufwärts – bis zu einer vollzähligen Ausstattung aller theologischen Disziplinen.

Es folgte in der Regel eine mehrjährige Phase pastoralen oder pädagogischen Wirkens, um dann einen Universitätsbesuch in Deutschland anzuschließen und das Studium abzurunden. Die Slawen der Donaumonarchie bevorzugten die Universität Jena[27], die Ungarn und Siebenbürger Sachsen hingegen Tübingen[28], die reformierten Magyaren Halle, Heidelberg, eine holländische Universität (Utrecht, Franeker) oder Edinburgh. Die Deutschungarn frequentierten alle Hochschulen, richteten sich nach den gegebenen Stipendien und Freitischen.

 

Dieses Auslandsstudium wurde seit dem Wartburgfest 1817 vom Polizeistaat des Vormärz mit Sorge beobachtet. Die Furcht vor revolutionären Regungen wurde gespeist durch den Umstand, dass am 23. März 1819 einer der Organisatoren des Wartburgfestes, Karl Ludwig Sand (1795-1820) den in russischen Diensten stehenden Schriftsteller August von Kotzebue (1761-1819) ermordete und damit in Deutschland den „ersten Fall eines politischen Attentats aus Überzeugung“ verübte[29]. Dies veranlasste den Fürsten Clemens Wenzel Lothar Metternich (1773-1859) zu einer Politik der herabgezogenen Grenzbalken, um ein Einsickern des „verderblichen“ Freisinns von deutschen Universitäten zu verhindern und „... jeder möglichen Beirrung der Gemüter vor[zu]beugen[30]. Die österreichische Unterrichtsverwaltung reagierte also verschreckt, indem sie den Besuch der deutschen Universitäten kurzerhand untersagte und die im Ausland befindlichen Studenten zurückberief[31].  

 

Eine Wallfahrt des österreichischen Kaisers Franz mit großem Gefolge nach Rom 1819 sollte zudem einen Gegenakzent zum Wartburgfest setzen und dem Protestantismus und Nationalismus von 1817 ein Bekenntnis Österreichs zum Katholizismus und Universalismus entgegensetzen[32].

 

Als Alternative zum nunmehr untersagten Auslandsstudium ordnete eine kaiserliche Entschließung vom 25. September 1819 den Aufbau eines „vollständigen protestantisch-theologischen Studiums für die Augsburgische und Helvetische Konfession – getrennt von der Universität“ in Wien an, das schließlich am 2. April 1821 im Schulhof in der Innenstadt eröffnet wurde[33]. Diese Lokalität erwies sich allerdings schon sehr bald als zu klein, sodass die Lehranstalt mit ihren 39 immatrikulierten Studenten[34] (überwiegend aus Ungarn und Siebenbürgen) schon innerhalb des ersten Studienjahres in das Palais des Fürsten Palm übersiedelte, ein Gebäude, das heute nicht mehr existiert (Schenkenstraße 7/Bankgasse 10), aber schräg gegenüber dem gegenwärtigen Fakultätsgebäude in der Schenkenstraße situiert war.

 

Mit dieser Lehranstalt verband man nicht nur die Aufgabe, den geistlichen Nachwuchs auszubilden, sondern vor allem als Integrationsfaktor den äußerst vielgestaltigen und multiethnischen Protestantismus im Sinne eines habsburgischen Reichsbewusstseins zu prägen, eine Aufgabe, die so schwierig war wie die Quadratur des Kreises.

 

Die protestantischen Kirchen in den habsburgischen Ländern bildeten nie eine Einheit, sondern wiesen große Unterschiede in ihrem Umfang und ihrer Rechtsgrundlage auf. Aus einer Statistik gegen Ende der Toleranzzeit (ca. 1846) kennen wir folgende Zahlen:

·        Da waren einmal die seit 1781 bestehenden akatholischen Toleranzgemeinden in den kaiserlichen Erblanden, die statistisch gesehen kaum ins Gewicht fielen [50.000 A.B., 4.500 H.B.],

·        die deutschen, tschechischen und polnischen Toleranzgemeinden in Böhmen, Mähren und Schlesien umfassten 94.000 Lutheraner und 85.000 großteils tschechische Reformierte,

·        in Galizien wurden als Nachfahren der unter Joseph II. angesiedelten Pfälzer 27.000 A.B. und 1.900 H.B. gezählt.

·        Diese Lehranstalt in Wien sollte aber auch als Ausbildungsstätte für den geistlichen Nachwuchs der beiden streng getrennten reformatorischen Kirchen im Königreich Ungarn dienen,

o       für die Evangelische Kirche A.B., die viersprachig gewesen ist: mehrheitlich slowakisch, deutsch, ungarisch (und in einem kleinen Landstrich in Prekmurje/Übermurgebiet wurde auch slowenisch gepredigt) [850.000 A.B.] und

o       für die fast ausschließlich magyarische Reformierte Kirche in Ungarn und Transsilvanien [über 2 Mill. H.B.],

·        weiters auch für den Nachwuchs der Lutherischen Volkskirche der Siebenbürger Sachsen [220.000 A.B.] und

·        schließlich für die kleine Unitarische Kirche [mit 50.000 Mitgliedern] in Siebenbürgen, die am Rande des protestantischen Spektrums angesiedelt war, eine antitrinitarische Kirche, die seit dem Landtag von Thorenburg/Torda (1568) als rezipiert galt[35].

 

Die Wiener Protestantisch-Theologische Lehranstalt musste sich als österreichische Alternative zum Studium an den deutschen Universitäten profilieren, aber die  negativen Begleitumstände ihrer Gründung haben ihren Ruf nachhaltig beschädigt und es wird von ungarländischen Studenten berichtet, dass sie das Studium in der Haupt- und Residenzstadt bewusst boykottierten. Das Verbot des Auslandsstudiums fiel in der Tat schon nach wenigen Jahren, 1827/1828, das Studium in Wien gewann jedoch nicht an Attraktivität, mochte die Lehranstalt auch als zentrale Ausbildungsstätte für die gesamte Donaumonarchie und der Lehrplan nach dem Vorbild der deutschen Fakultäten konzipiert worden sein[36].

 

Deren äußerliche und innere Ausstattung waren äußerst bescheiden. Und es mangelte auch nicht an Spott, dass sie wohl kaum in der Lage wäre, die Konkurrenz der deutschen Hochschulen auch nur einigermaßen auszuhalten.

Die Kritik am Lehrkörper betraf vor allem deren Auswahl im Wege von Konkursprüfungen. Praktisch kamen nur Bewerber aus Österreich und Ungarn in Frage. Bei einer Analyse der Biographien dieser Theologieprofessoren fällt auf, dass sie die Vielgestaltigkeit des Protestantismus in keiner Weise repräsentierten. Es handelte sich um Lehrer evangelischer Gymnasien und Pastoren, die mehrheitlich aus der Zips stammten und an der Salana in Jena studiert hatten. Von der Kritik muss freilich ein Mann ausgenommen werden, Johann Georg Wenrich (1787-1847), zuvor Rektor am evangelischen Gymnasium in Hermannstadt/Nagyszeben/ Sibiu[37]. Er konnte sich als Orientalist und Arabist profilieren und wurde an seinem Lebensabend in die neu gegründete Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien aufgenommen.

 

Die Studentenschaft kam hauptsächlich aus Ungarn und Siebenbürgen, kaum aus den österreichischen Erbländern. Bis zur Erhebung der Lehranstalt in eine Fakultät (1850) werden nur 24 Österreicher gezählt – gegenüber den 423 immatrikulierten Studenten aus dem Königreich Ungarn, 203 Studenten aus Siebenbürgen, 58 aus Österreichisch-Schlesien, 90 aus Böhmen und Mähren, machte dies nur einen verschwindenden Bruchteil aus. 13 Studenten kamen in diesem Zeitraum aus Galizien, einer aus der Bukowina und dem Küstenland. Aus einer Auflistung des Kirchenhistorikers Karl Völker (1886-1937) wissen wir, dass bis 1930 insgesamt 3.633 Inskriptionen durchgeführt wurden; da sind aber Mehrfachinskriptionen aufgrund allfälliger Studienortwechsel darunter und eine solche Peregrinatio academica nach Deutschland war die Regel. 119 Inskriptionen betrafen Studierende aus Galizien, darunter Elisabeth Röhrich, die 1919 als außerordentliche Hörerin inskribiert war, die einzige Frau aus Galizien[38], lange bevor sich 1928 die Fakultät dem Frauenstudium öffnete.   

 

Die Studentenfrequenz betrug im ersten Jahrzehnt im Durchschnitt 49 Studenten, sie steigerte sich in der Folge sogar auf 54, obwohl die Grenzen nach Deutschland wieder geöffnet wurden, sie fiel aber in den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts auf  34 Studenten. Diese Zahlen machen deutlich, dass das Studium in Wien für Magyaren wenig attraktiv gewesen ist. Sie boykottierten die Lehranstalt, zumal die Lyceen und Kollegien durch die Einführung der magyarischen Unterrichtssprache einen enormen Aufschwung genommen hatten[39]. 

 

In Wien war die deutsche Unterrichtssprache obligatorisch. Lediglich die reformierten Disziplinen, reformierte Dogmatik und reformierte Exegese, wurden lateinisch vorgetragen. Dieser Lehrstuhl für Reformierte Theologie blieb lange vakant[40]. Daran zeigt sich die Skepsis der reformierten Theologiestudenten, das waren ja fast ausschließlich solche der tschechischen oder magyarischen Nation, gegenüber der Wiener Ausbildungsstätte. Erst 1864 wurde der Lehrstuhl wieder besetzt, allerdings weder mit einem Magyaren noch mit einem Tschechen, sondern mit einem deutschen Professor.

 

Die deutsche Unterrichtssprache war für die übrigen Fächer unbestritten und sie galt als Schlüssel für die Theologie und Geisteswelt der Reformation. Erst 1848 wurde von den slavischen Studenten die Forderung vorgetragen, dass stets ein Professor angestellt sein müsse, „welcher der slavischen Sprache vollkommen mächtig ist“. Daraus resultierte eine „slavische Tradition“ auf der Lehrkanzel für Praktische Theologie, die 1849 eingerichtet wurde[41].

 

1848 schien die Aufnahme der Lehranstalt in den Verband der Alma Mater Rudolfina mit den Händen zu greifen, sie scheiterte indes am katholischen Stiftungscharakter der Universität und am Einspruch des Universitätskanzlers, dem das Universitätskonsistorium folgte[42].

 

1850 erfolgte die Umstrukturierung der Lehranstalt in eine (von der Alma Mater Rudolfina separierte) Fakultät. Sie erbrachte die akademische Lehr- und Studienfreiheit und öffnete die Tür für Professorenberufungen von deutschen Universitäten. Man könnte daher diesen Abschnitt unter die Zwischenüberschrift: Im Zwiespalt zwischen Provinzialisierung und Germanisierung stellen. Denn die reichsdeutschen Professoren bestimmten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Fakultätsleben und sie sahen ihr vordringliches Ziel darin, die Inkorporierung der Fakultät in den Verband der Wiener Universität voranzutreiben[43].

 

Um sich ein Bild zu machen sei auf einen gesamtdeutschsprachigen Hörer-Vergleich 1870/71 verwiesen: Dabei lag die Wiener Fakultät mit 49 Hörern deutlich vor Basel (16) und Greifswald (24), fast ebenbürtig mit Heidelberg (54). Diese 49 Hörer waren mehrheitlich lutherisch (35 A.B. gegenüber 14 H.B.),  29 stammten aus Ungarn, 6 aus Siebenbürgen, je fünf aus Böhmen und Mähren, je zwei aus Galizien und k.k. Schlesien.

 

Sie orientierte sich stets am Vorbild der deutschen Fakultäten. Und doch oblag ihr die Aufgabe, für den konkreten Dienst in der Diaspora der Habsburgermonarchie auszubilden. Als die Studentenzahlen in den letzten Lustren des 19. Jahrhunderts immer weiter in den Keller sanken, verlangte eine Denkschrift der Fakultät eine Erhöhung der Wiener Pflichtsemester und motivierte die Änderung der Prüfungsordnung folgendermaßen: Das Studium im protestantischen Ausland von begrenzter Dauer sei durchaus wünschenswert, es dürfe aber die Ausbildung für den besonderen Dienst in der Heimatkirche nicht darunter leiden. Es sei vielmehr heilsam, sich schon als Student an die Diasporaluft zu gewöhnen[44].

 

Einen wissenschaftlichen Nachwuchs heranzubilden, lag freilich noch immer nicht im Blickfeld der Fakultät, auch wenn ihr 1861 ausdrücklich das Promotions- und Habilitationsrecht eingeräumt wurde. Lediglich der erwähnte Professor Wenrich verfügte über einen Assistenten, Georg Gustav Roskoff (1814-1889), der sein Nachfolger wurde.

 

Das Promotionsrecht hob die Fakultät über alle anderen protestantischen Ausbildungsstätten im Habsburgerreich hervor, erst 1914 erhielt auch die  Theologische Fakultät in Debrecen das Recht, Promotionen durchzuführen.

 

Zahlreiche Lehrer der kirchlichen Akademien und Kollegien in Ungarn (und später in Prag und Warschau) erlangten in Wien die Promotion, darunter (in alphabetischer Reihe) folgende Galizier[45]:

·         Franz Fischer (1895-1975), Dr.theol. Wien 1938: Die theologischen Voraussetzungen des evangelischen Religionsunterrichtes[46].

 

·         Hermann Fritsche (1846-1924), Superintendent in Biala, Dr.h.c. Wien 1911.

 

·         Rudolf Kesselring (1884-1961), Dr.theol. Wien 1928: Der Unitarismus in Polen im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation[47].

 

·         Hans Koch (1894-1959), Dr.theol. Wien 1927: Katholizismus und Protestantismus in der russischen Orthodoxie des Petrinischen Zeitalters[48].

 

·         Herbert Krimm (1905-2002), Dr.theol. Wien 1932: Die Agende der niederösterreichischen Stände vom Jahre 1571[49].

 

·         Paul Pomykacz (1869-1922), Dr.theol. Wien 1912: Mikolaj Rej von Naglowic.

 

·         Karl Völker (1886-1937), Lic.theol. Wien 1911: Der Toleranzgedanke im Reformationszeitalter[50].

 

·         Max Weidauer (1870-1937), Pfarrer in Kolomea, Lic.theol.h.c. Wien 1921.

 

Und als eine weitere Promotion führe ich die Arbeit von Martin Hennig (1902-1997), Pastor in Cuxhaven an, weil sie ein Thema des polnischen Protestantismus behandelt, der Verfasser stammte allerdings nicht aus Galizien:

·         Martin Hennig, Dr.theol. Wien 1932: Die Evangelisch-lutherische Kirche in Polnisch-Wolhynien. Die Geschichte, die Form ihres Dienstes und die Äußerung ihrer Frömmigkeit.[51]

 

An Habilitationen an der Evangelisch-theologischen Fakultät von Galiziern sind zwei zu benennen:

·         Karl Völker: Der Protestantismus in Polen aufgrund der einheimischen Geschichtsschreibung (1913)[52].

·         Hans Koch: Die griechische Kirche im alten Russland. Skizzen zur Kirchengeschichte Osteuropas (1929)[53].

 

III.

Galizier an der Theologischen Fakultät

Wenn in einem dritten Abschnitt über einige Galizier an der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien berichtet werden soll, so kann von dem erwähnten  Aufsatz aus der Feder des Kirchenhistorikers Karl Völker ausgegangen werden. Er zählt 119 Inskriptionen von in Galizien geborenen Theologiestudenten, darunter befanden sich auch Methodisten und Mennoniten, ja auch griechisch-katholische und griechisch-orthodoxe Studenten. Er erfasste den Zeitraum zwischen 1821 und 1930. Auch danach waren Studierende aus Polen an der Fakultät immatrikuliert: im Sommersemester 1932 erreichten sie mit 15 das Maximum, gerade in einem Jahr, in dem Einsparungspläne des Unterrichtsministeriums die Schließung der Fakultät im Auge hatten[54]. Das konnte aber durch Interventionen seitens der Kirche, aber auch des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses und einzelner volksdeutscher Landeskirchen in Jugoslawien, Böhmen, Mähren und Schlesien verhindert werden. In deren Botschaften[55], denen auch der Titel dieses Beitrags („Pflegerin wichtigster evangelischer und deutscher Lebensinteressen“) entnommen ist, war ganz unverblümt von der „volksdeutschen Interessenswahrung“ die Rede, dass die beabsichtigte Fakultätsschließung unermesslichen Schaden zufügen würde, „da doch bekanntlich unsere evangelischen Pfarrer im Kampfe um unsere völkischen Interessen in erster Reihe stehen“. Dieses volkspolitische Credo ist gewichtig, es kann freilich nur vor dem Hintergrund der „doppelten Diaspora“ (ethnischen und konfessionellen) der Protestanten in jenen Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie richtig verstanden werden. In diesen Zusammenhang ist auch die Bemühung der Fakultät zu rücken, einen Lehrstuhl für Diasporawissenschaften zu errichten und auf diesen den wissenschaftlich ausgewiesenen Pfarrer Gerhard May (1898-1980) aus Cilli/Celje zu berufen[56]. Er hatte mit seinem Buch über die „Volksdeutsche Sendung der Kirche[57]  enormes Aufsehen erregt, weil er eine sehr zeitbezogene kontextuelle Theologie entwickelt hatte, aber die Berufung kam nicht zustande.

 

Dieses volkspolitische Credo verdient auch deshalb Beachtung, weil in den angesprochenen Nachfolgestaaten der Donaumonarchie zum Teil deutschsprachige theologische Lehrkanzeln errichtet wurden, beispielsweise in Pressburg, Ödenburg, aber auch in Warschau, wo ganz offen um die Studenten aus Galizien geworben wurde. In diesen Dienst stellte sich etwa der in Wien promovierte langjährige Lemberger Pfarrer [1908-1929] Rudolf Kesselring, dem 1932 in Warschau eine Professur übertragen wurde[58]. Ihm sind auch zahlreiche kirchengeschichtliche Beiträge zu verdanken[59]. Sein Engagement für den polnischen Evangelizismus ist ihm seitens der Galiziendeutschen sehr übel genommen worden, die dahinter die Gefahr der Polonisierung und Entsolidarisierung mit der Pfälzer Tradition eines deutschnational imprägnierten Protestantismus erblickten[60].   

Die Zahl der Studierenden aus Polen nahm in Wien kontinuierlich ab. Bis zum WS 1934/35 waren es etwas mehr als zehn, danach sanken sie auf unter fünf, im Sommersemester 1944 war kriegsbedingt gar nur mehr ein Student nachgewiesen[61].

 

Zum Dozentenkollegium der Wiener Fakultät zählten in all den Jahren lediglich drei[62]: der erwähnte Kirchenhistoriker Karl Völker, der aus Biala stammende Neutestamentler Rudolf Knopf (1874-1920), der zwischen 1907 und 1914 in Wien wirkte, dann an die Universität Bonn wechselte und schon in jungen Jahren verstarb[63], weiters der Kirchenhistoriker Hans Koch (1894-1959), der sich an der Fakultät 1929 für Kirchengeschichte habilitierte, am 10. Juli 1929 seinen Habilitationsvortrag über Kaiser Julian, der Abtrünnige, als religiöser Reformer hielt[64] und in Wien eine bemerkenswerte akademische Karriere startete, die ihn über Königsberg (Berufung 1934) und Breslau (Berufung 1937) nach Wien (Berufung 1940) zurückführte. Hier bekleidete er zwischen 1940 und 1945 ein Ordinariat für Osteuropäische Geschichte, ohne je in Erscheinung getreten zu sein, weil er als Offizier des Ersten Weltkrieges auch im Zweiten Weltkrieg zu den Waffen gerufen wurde und an sensiblen Stellen im Heereskommando Ost seinen Militärdienst absolvierte – mit einer Unterbrechung im Jahr 1940, als er als Direktor das Deutsche Wissenschaftsinstitut in Sofia/Bulgarien leitete, um seine Studien zur Orthodoxie zu betreiben. Über ihn, der im Rahmen der Galiziendeutschen Landsmannschaft häufig das Wort ergriffen hat und im Leserkreis des Zeitweisers noch sehr präsent ist, werde ich abschließend noch etwas näher ausführen.

 

Es ist aber auch ein gegenteiliger Fall aktenkundig, dass einem Galizier 1856 die angestrebte Habilitation nicht zuteil geworden ist, sondern aus vorgeschobenen wissenschaftlichen Gründen verweigert wurde: dem Bialer Lehrersohn Julius Kolatschek (1829-1900). Er hatte in Pressburg, Wien (1849-1852) und Tübingen studiert, in Tübingen auch den Dr.phil. erworben. Er hatte dort eine freisinnige Theologie kennen gelernt und an dieser Maß genommen, weshalb sein Habilitationsgesuch mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde. In der von Daniel Schenkel (1813-1885), dem literarischen Papst des Freisinns herausgegebenen Allgemeinen kirchlichen Zeitschrift ist dieser Vorgang folgendermaßen kommentiert worden[65]:

Vor vier bis fünf Jahren bewarb sich auch ein junger hoffnungsvoller inländischer Theologe, der zuletzt in Tübingen studiert hatte, um die Habilitierung als Privatdocent, allein weil er sich in dem abgeforderten Programme offen zu den Prinzipien der Tübinger historisch-kritischen Schule bekannte, wurde ihm wegen seiner ‚destruktiven Tendenz-Kritik’ von Seite der Mehrheit des damaligen Professorenkollegiums (3 gegen 2) Hindernisse in den Weg gelegt – welcher Umstand keineswegs von Rationalismus, sondern vielmehr von orthodoxistischem Streben zeugt.

 

Später hat er durch eine beachtliche Gemeindegeschichte auf sich aufmerksam gemacht und den ersten Schematismus der Evangelischen Kirche zusammengestellt[66].

 

Die akademische Niederlage Kolatscheks hat ein anderer Galizier aus nächster Nähe miterlebt, der seit 1852 immatrikulierte Lemberger Student Karl Theodor Haase (1834-1909), der Sohn des dortigen Superintendenten[67]. Ein Stipendium der Lemberger Gemeinde ermöglichte ihm die Fortsetzung seines Studiums in Göttingen und Berlin, dem die Promotion zum Dr.phil an der Universität Rostock folgte. Er kehrte freilich nicht nach Galizien zurück, sondern wirkte in Österreichisch-Schlesien, in Bielitz und Teschen, wo er über viele Jahre als Senior und als Superintendent der größten und bedeutendsten Superintendenz der Evangelischen Kirche, der mährisch-schlesischen mit 95.000 Gemeindemitgliedern in drei Senioraten und 35 Kirchengemeinden amtierte. Da diese Superintendenz dreisprachig war, überwiegend polnisch (60%), deutsch (25%) und tschechisch (15%), bedurfte es einer besonderen Gabe, um in einer Zeit des um sich greifenden Nationalismus das Zusammenleben und –wirken in dieser Diözese zu fördern und zu gewährleisten. Das ist ihm nicht immer gelungen. Dennoch muss von ihm gesagt werden, dass er, der auch politische Ämter nicht scheute, sondern über viele Jahre nicht nur in der Bielitzer Gemeindevertretung, im schlesischen Landtag, sondern 1873-1906 auch ein Mandat im Reichsrat wahrnahm, später zum Herrenhausmitglied auf Lebenszeit ernannt wurde, zur „größten Autorität und Persönlichkeit des österreichischen Protestantismus[68] heranreifte. Versuche, ihn nach Lemberg zu berufen, als Nachfolger seines Vaters in der galizischen Superintendentur, sind fehlgeschlagen, die in der Folge von Lemberg nach Biala abwanderte. Seinem Vater folgte er lediglich in der synodalen Leitung der österreichischen Gesamtkirche nach. War der Vater Präsident der ersten Generalsynode 1864, so folgte der Sohn 1889 und 1895 im Vorsitz.

 

Nun zu dem schon mehrfach zitierten Kirchenhistoriker Karl Völker[69]. Er stammte aus Lemberg, wuchs dort in der Metropole Galiziens als Nachfahre sächsisch-schlesischer Einwanderer zweisprachig auf, studierte Theologie und Geschichte in Wien, Leipzig und bei Adolf von Harnack (1851-1930) in Berlin. Dieser und Georg Loesche (1855-1932) in Wien waren die stärksten Eindrücke seiner Studienzeit. 1909 promovierte er in Wien mit einer Arbeit zur Geschichte des Protestantismus in Polen[70] zum Dr.phil., 1911 mit einer reformationsgeschichtlichen Studie zum Lic.theol. Er habilitierte sich 1912 für Kirchengeschichte und wirkte zunächst als Studieninspektor des Theologenheimes, der einzigen Stelle für die wissenschaftliche Nachwuchspflege der Evangelischen Kirche in Österreich[71]. Bei der Nachbesetzung der Lehrkanzel für Kirchengeschichte wurde er ein Opfer der ungeschriebenen Regel, dass es keine Hausberufung geben dürfe. So berief das Wiener Professorenkollegium 1917 einen Kollegen aus Breslau, um Völker zu einem Ruf nach Schlesien zu verhelfen. Da er für die Kirchengeschichte Polens spezialisiert war, waren seine Berufungschancen relativ hoch. Aber die Universität Breslau versperrte sich solchen Überlegungen. Karl Völker musste einen anderen Weg gehen, er wechselte als habilitierter Kirchenhistoriker auf die Lehrkanzel für Praktische Theologie (1920)[72], ehe er 1922 das Katheder der Kirchengeschichte in Wien besteigen konnte. Später wurde er wiederholt von der Universität Breslau, die ihm 1921 den Doktorgrad der Theologie honoris causa verliehen hatte, angefragt und umworben, eine Berufung kam aber nicht zustande. Die zahlreichen Beiträge zur Geschichte des Protestantismus in Galizien und Polen gipfelten in einer „Kirchengeschichte Polens“ (Berlin-Leipzig 1930), die bis heute nicht überholt ist und als Standardwerk gilt und die ihm die Mitgliedschaft in der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau eintrug. Sein Wirken war zeitlich eingeschränkt, denn schon 1937 erlag er einundfünfzigjährig einem Krebsleiden. Und doch hat er eine Völker-Schule gebildet, denn aus seinem Kreis ging eine Reihe von Professoren hervor: Rudolf Kesselring in Warschau, Roland Steinacker (1870-1962), Professor für Praktische Theologie in Pressburg[73], der mit einer Arbeit über die Stellung der Kirchengeschichte im Religionsunterricht 1923 bei Völker promovierte, der Kirchenhistoriker Paul Dedic (1890-1950) in Graz, dem nach Völkers frühem Tod die Herausgabe des Jahrbuchs für die Geschichte des Protestantismus in Österreich oblag[74], schließlich der in Przemysl geborene Herbert Krimm (1905-2002)[75], der seinen Geburtsort der dortigen Garnison verdankte, wo sein Vater als Offizier stationiert war. Auch er wirkte zeitweise als Studieninspektor im Wiener Theologenheim, wo er seine liturgiegeschichtliche Dissertation anfertigte, und im Franz-Rendtorff-Haus in Leipzig (1936). Seine 1938 erfolgte Habilitation in Leipzig („Der Gottesdienst, sein Gehalt und Gefüge“) war in den Kriegswirren untergegangen, sodass er sich 1951 nach Heidelberg umhabilitieren musste; er wurde der  Begründer des Diakoniewissenschaftlichen Instituts in Heidelberg (1954), schließlich 1961-1970 Ordinarius für Praktische Theologie an der Ruperto Carolina,  1970 wurde er emeritiert, versah in der Folge noch den Dienst eines Krankenhausseelsorgers und hielt bis zuletzt den Kontakt nach Österreich aufrecht.

 

Als weiterer Schüler ist schließlich noch Oskar Wagner (1906-1989)[76] zu nennen. Er stammte aus Hartfeld, absolvierte sein Studium in Wien (1924-28), wo er anschließend auch als Vikar wirkte (1928-31) und seinen Freund Hans Koch  zeitweise als Studieninspektor im Wiener Theologenheim vertrat; er hatte in Wien beim Osteuropahistoriker Hans Uebersberger (1877-1962) mit einer Arbeit über „Die Union von Brest 1596 im Lichte des polnischen Staatsgedankens“ den Dr.phil. erworben (Wien 1930), wirkte als Landessynodalpfarrer der Evangelisch-unierten Kirche in Kattowitz/Polnisch-Oberschlesien und Mitarbeiter des Kirchenpräsidenten Hermann Voß (1873-1938) und versuchte, die politischen Eingriffe und Polonisierungsversuche gegenüber dieser kleinen Diasporakirche abzuwehren. Aus der Wojewodschaft Schlesien 1938 ausgewiesen, wirkte er als Referent für die oberschlesischen Kirchenkreise im Konsistorium Breslau. Bei einem Besuch in Posen wurde er im August 1939 von Polen verhaftet und in den Osten deportiert, von deutschen Truppen wieder befreit. Es folgten Kriegsdienst und amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er schon 1945 entlassen wurde. Seit 1950 wirkte er als Pfarrer in München, er war viele Jahre Mitglied des Hilfskomitees der Galiziendeutschen im Diakonischen Werk der EKD. Seine knappe Biographie im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon würdigt ihn ausdrücklich als „Mitbegründer des Wiener Instituts für protestantische Kirchengeschichte[77], das als Parallelgründung (1973) zum Ostkircheninstitut in Münster verstanden wurde, im Jahre 2000 aber nach Pressburg übersiedelte, wo es als Institut für die Kirchengeschichte des Donau- und Karpatenraumes der Evangelisch-theologischen Fakultät an der Comenius-Universität Bratislava angegliedert wurde.  

Wagner, der im Rahmen der Institutsreihe (Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte) eine große Monographie über die „Mutterkirche vieler Länder“, eine Kirchengeschichte des Herzogtums Teschen, verfasste[78], leistete damit einen großen Dienst, denn nur er konnte aufgrund seiner umfassenden Sprachkenntnisse dieses „Zusammenspiel von verschiedenen nationalen Kulturen Osteuropas“ in ihrer bunten konfessionellen Schichtung so konzis und tiefschürfend darstellen. Die topographische Angabe im Untertitel ist eine täuschende Engführung, in Wahrheit holt Wagner viel weiter aus und berücksichtigt durchaus auch die Entwicklung in Galizien und in der Bukowina, wo die Konfession ein „entscheidendes Identitätsmerkmal“ gewesen ist. Auch die an seinem Lebensabend zusammengestellte Aufsatzsammlung „Zwischen Völkern, Staaten und Kirchen“ ist dieser spezifischen Aufgabenstellung gewidmet[79]. Es waren vor allem drei Themen, denen seine Aufmerksamkeit galt: „erstens der evangelischen Kirche im Herzogtum Teschen, in dem ein genuin polnischer Protestantismus von der Reformation bis in die Gegenwart lebendig blieb, zweitens der evangelisch-unierten Kirche in Oberschlesien und drittens der Begegnung von Protestantismus und Orthodoxie, speziell der byzantinisch ausgerichteten Bewegung unter den evangelischen Ukrainern Ostgaliziens“[80]. Für diese ganz außerordentliche wissenschaftliche Lebensleistung wurde ihm 1986 von der Universität München der Doktorgrad der Theologie honoris causa verliehen.

 

Nicht zum Schülerkreis, wohl aber zum Freundeskreis Völkers gehörte der aus Biala stammende Viktor Glondys (1882-1949)[81], der von Hause aus römisch-katholisch gewesen ist, aber im Zuge seines Philosophiestudiums in Graz mit dem Kleinen Katechismus von Martin Luther konfrontiert wurde, der ihn zur eingehenden Lutherlektüre veranlasste. Es war die Zeit der klassischen Los-von-Rom-Bewegung[82], in der 1904 seine Konversion zum Luthertum erfolgte, die dann auch einen Studienwechsel zur Folge hatte. Glondys widmete sich nunmehr der protestantischen Theologie und zwar in Marburg/Lahn und Straßburg, vor allem aber an der Wiener Fakultät, wo er an der Seite von Völker studierte und besonders von dem eben aus Berlin berufenen Systematiker Karl Beth (1872-1959) beeindruckt wurde. 1910 erfolgte seine Ordination und der Beginn seines kirchlichen Dienstes im äußersten Osten des Reiches, in der Bukowina. 1912 wurde er zum Stadtpfarrer in Czernowitz gewählt, wo er durch seine Heirat mit Alice Mayer (1888-1978) Anschluss an das Stadtpatriziat fand und als intellektueller Gesprächspartner allgemein geschätzt wurde[83]. Er hatte noch während des Krieges sein Philosophiestudium mit der Promotion in Graz abgeschlossen[84] und bemühte sich  in der Folge um den Kontakt zur Francisco-Josephina, der östlichsten deutschsprachigen Universität[85]. Diese beendete allerdings nach 44-jähriger Wirksamkeit ihren Lehrbetrieb in deutscher Sprache, weil die Bukowina-Deutschen zum Großteil für die Rückkehr nach Österreich optierten. Glondys hat den Nachmittag des 6. September 1919 beschrieben[86], als die deutschen Universitätsprofessoren von Tausenden Stadtbewohnern am Bahnhof verabschiedet wurden. Dieser Artikel schließt mit einer leichten Kritik an der mit so großer Eile vollzogenen Romanisierung der Universität, um der Hoffnung umso heftiger Ausdruck zu geben, „dass den berechtigten Wünschen der Deutschen in Groß-Rumänien nach Errichtung einer deutschen Universität in Hermannstadt schließlich werde Rechnung getragen werden“. Er selbst blieb in Czernowitz, er erwarb in diesem Jahr die Lehrbefugnis für „Erkenntnistheorie“ und brachte in der Folge eine knappe „Einführung in die Erkenntnistheorie“ (Wien-Leipzig 1923) heraus. Glondys hat in den akademischen Kreisen der Stadt eine geachtete Stellung eingenommen, vor allem hat er dann die Romanisierung der Universität mitgemacht (er las schon im Wintersemester 1920/21 eine Einleitung in die Erkenntnistheorie in rumänischer Sprache: Intuitiunea tipurilor monistice) und trug das Seine dazu bei, dass die acht evangelischen Gemeinden in der Bukowina mit ihren 21.000 Mitgliedern an die Kirche der Siebenbürger Sachsen angeschlossen wurden. Bald darauf (1922) folgte er einem Ruf als Pfarrer an der Schwarzen Kirche von Kronstadt. 1930, zeitgleich mit der Promotion zum Dr. theol. h.c. durch die Universität Breslau, erfolgte seine Wahl zum Bischofsvikar, 1932 zum (ersten nicht-sächsischen) Bischof der Evangelischen Kirche in Großrumänien. Er repräsentierte somit das „evangelische Deutschtum“ in Großrumänien[87] und hatte seine Kirche in einer der schwierigsten Epochen siebenbürgisch-sächsischer Geschichte zu leiten[88]. Dabei versuchte er, die traditionelle kulturprotestantische Tradition zu modifizieren, die landeskirchliche Krise durch ökumenische Integration und Volksmission zu überwinden. Aber sein kirchenpolitischer Versuch einer „cohabitation“ mit den Exponenten der NS-Bewegung scheiterte[89], er selbst wurde 1941 zum Rücktritt gezwungen. Seiner geistlichen Tätigkeit konnte er weiter im Rahmen Lutherakademie in Hermannstadt nachkommen, deren Gründung durch ihn initiiert worden war und die ein kleiner Ersatz für die unterbliebene Universitätsgründung sein sollte. 1944 versuchte er, wieder in sein bischöfliches Amt zurückzukehren, doch unterlag er in einem höchst intrigenreichen Machtkampf dem mit der Leitung beauftragten Bischofsvikar Friedrich Müller-Langenthal (1884-1969), dem Exponenten eines „’Verteidigungsrings’ der wertkonservativen binnenkirchlichen Opposition“[90]. Eine Berufung als Bischof nach Wien (er war sowohl in den Dreißigerjahren als auch 1944 nach dem Tod von Bischof Hans Eder (1890-1944) immer wieder als einer der in Aussicht genommenen Kandidaten genannt worden) als auch auf eine Professur für Systematische Theologie, die ein Briefwechsel mit dem Dekan Gustav Entz (1884-1957) zum Jahreswechsel 1946/47 andeutet[91], hätten ihn aus seiner unerquicklichen Situation in Siebenbürgen erlöst, kamen aber nicht zustande.  

 

Der bekannteste Galizier an der Wiener Fakultät war aber zweifellos Hans Koch aus Kaltwasser bei Lemberg. Er, der sich gelegentlich als „Landsknecht ohne Namen“ bezeichnen konnte[92], hat sich wie kein anderer mit dem volksdeutschen Milieu in Galizien identifiziert, hat es erforscht[93], hat viele Vorträge zum Thema gehalten und Berichte verfasst. Eine Biographie dieser Persönlichkeit ist noch immer Desiderat und nicht ohne Schwierigkeiten in Angriff zu nehmen, denn die Faszination, die von seiner Persönlichkeit ausging, lag nicht zuletzt in dem Facettenreichtum: er wirkte als Theologe und Historiker, als Soldat und Politiker sowie als Politologe und Wissenschaftsorganisator, aber auch als Schriftsteller, Erzähler und Poet[94]. Und bemerkenswert war auch sein Lebensweg, der ihn von Lemberg nach Wien führte, weiters nach Königsberg (1934), Breslau (1937) und ins Ennstal (1945), von dort schließlich nach München (1952). Durchzogen wird diese Biographie durch Kriege. Es waren mehr als zwei Weltkriege, in denen er an der Front stand, er wirkte auch als sotnik im Offiziersrang der ukrainisch-galizischen Armee, als die Ukrainer nach Ende des Ersten Weltkrieges gegen den Widerstand der Polen und der Russen eine freie Ukraine zu errichten sich anschickten. Sie nahmen das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Anspruch und er stellte sich in den Dienst dieses Anliegens. Die immer wieder kursierende Apostrophierung als „Ukrainer Koch“ hat hierin seine Wurzel.

Er hat diese Geschichte Galiziens nicht nur dargestellt, sondern hautnah miterlebt, sodass ein Fachkollege einmal feststellen konnte, Koch wäre wohl der abenteuerlichste unter den akademischen Lehrern des 20. Jahrhunderts gewesen[95]. Nach der Matura am Lemberger Staatsgymnasium 1912 nahm er in Wien das Studium der Theologie auf und fand im Theologenheim, dessen Leitung gerade Karl Völker oblag, Unterkunft. Neben der Fakultät und dem Theologenheim war die Akademische Verbindung „Wartburg“ („Verein deutscher evangelischer Theologen Wartburg“)[96] ein weiterer Bezugspunkt für den Ortsfremden, er „sprang“ ein und wählte den Couleurnamen Winfried. Als Hans Winfried Schaefer publizierte er in der Folge so manchen Beitrag. Rasch überzeugte er seine Kommilitonen von seiner Führungsqualität, schon im zweiten Jahr wirkte er als Sprecher der Wartburg, 1914 als erster Sprecher, der sich für den Beschluss der Wartburg stark machte, dass die Theologiestudenten auf das Geistlichenprivileg des österreichischen Wehrgesetzes verzichteten und sich freiwillig zur Kriegsdienstleistung zur Verfügung stellten[97]. Koch, der im Herbst 1914 in Lemberg vom Einbruch russischer Truppen (3.9.1914)[98] überrascht wurde, konnte erst im Februar 1915 heimlich die Front überschreiten und nach Wien zurückkehren.

 

Wie seine Studienkollegen rückte er sofort ein: „Von da an machte ich den Weltkrieg bis zum letzten Schuß mit.[99] Und es muss ergänzt werden: nicht nur den Weltkrieg, sondern auch den „verzweifelten Kampf“ der Ukrainer gegen Polen und später gegen die Bolschewiken. In einer ukrainischen Studie über „Deutsche in den ukrainischen Armeen 1917-1920“ von Osyp Dumin[100] wird Koch vom ehemaligen Oberkommandanten des ukrainischen Heeres General Tarnavskyj folgendermaßen charakterisiert[101]:

Indem ich ihn erwähne, muss ich in erster Linie seinen starken ukrainischen Patriotismus hervorheben, trotzdem er gleichzeitig nicht minder deutscher Patriot war. Solcher edlen Kuriosa hatte unsere Armee einige. In Ostgalizien geboren, sprach er die reinste ukrainische Literatursprache. Die Truppe liebte ihn außerordentlich. Den Offizieren war er der treueste Kamerad. Als Militär aber war er ein geradezu überdurchschnittliches Talent, man muss nur bedauern, dass unsere Verhältnisse nicht danach waren, ihm eine Entfaltung seiner ganzen Fähigkeiten zu ermöglichen. Man nannte ihn einfach das ‚Mädchen für alles’ in Militärangelegenheiten. Mit Recht, denn was konnte Koch nicht alles, was hat er nicht alles gearbeitet – und was alles beachtet! Koch konnte alles, verstand alles, wagte sich an alles heran, war stets bereit, sich der undankbarsten Arbeit anzunehmen, um sie dann aufs Beste auszuführen. Hohe Intelligenz, ein phänomenales Gedächtnis, echt germanisches Pflichtbewusstsein und Disziplin machten ihn für die schwierigsten Aufgaben auf dem Gebiete der Kriegskunst geeignet. Ich bin überzeugt, dass er, wenn unsere blutigen Mühen nicht diesen traurigen Misserfolg erfahren hätten, heute eine führende Stellung im ukrainischen Staate besäße.“  

 

Im Februar 1920 geriet er in russische Gefangenschaft und wurde von den Sowjets als „Fremdenlegionär“ zum Dienst in der Roten Armee verpflichtet, kämpfte auf deren Seite gegen Polen, ehe er nach Ende der militärischen Kämpfe durch eine österreichische Kriegsgefangenen-Mission in Kiew aufgestöbert wurde, die seine Demobilisierung und Heimkehr nach Wien durchsetzte.

 

Nun erst konnte er als Spätheimkehrer sein Studium wieder aufnehmen und es in Rekordtempo absolvieren. In seinem Lebenslauf notierte er[102]: er habe sieben Jahre an amtlichen Studiensemestern verloren – aber trotz allem auch einen großen Gewinn: eine verhältnismäßig gute Kenntnis zweier neuer Sprachen, des Ukrainischen und des Russischen – und manche Lebenserfahrung, die er nicht missen mochte. „In Russland und der Ukraina fand ich auch mein Spezialgebiet: die Geschichte Osteuropas“. 1924 schloss er sein Geschichtestudium mit einer Dissertation bei seinem für sein späteres Leben entscheidenden Lehrer Uebersberger ab: Die Slavisierung der griechischen Kirche im Moskauer Staate als bodenständige Voraussetzung des russischen Raskol (Wien 1924)[103], die sein bohrendes Interesse an Russland mit seinen kirchengeschichtlichen Ambitionen bestens verband und auch als „ganz vorzügliche Leistung“ von seinem Doktorvater gewürdigt wurde. In rascher Folge lieferte er auch seine theologische Dissertation (1926/27) und 1929 seine Habilitationsschrift ab.

Im Hauptberuf wirkte er als Religionsprofessor an Wiener Gymnasien und als Studieninspektor des Theologenheimes, doch er strebte nach einem Ordinariat und war wohl auch da und dort als akademischer Lehrer in Aussicht genommen (Kowno, Berlin, Leipzig, Marburg, Breslau) aber diese Aussichten zerschlugen sich ebenso wie seine Idee, in Wien eine Gesellschaft für osteuropäische Kirchenkunde zu gründen und ein einschlägiges Forschungsinstitut einzurichten. Das war eine glänzende Idee, für die auch der Umstand sprach, dass sich von Wien aus eine völlig neue Sicht der orthodoxen Kirchen Bahn gebrochen hat. Hier ist ausdrücklich auf die Bedeutung des Systematikers Karl Beth zu verweisen, der im Raum der protestantischen Theologie das auch von Harnack aus baltischer Tradition überlieferte Bild einer kulturell inferioren Orthodoxie korrigierte. Dazu hatte auch Koch durch seine Forschungen beigetragen: Er rückte von der traditionellen großrussischen Geschichtskonzeption ab und lehrte die Kirchengeschichte der Ostslawen konsequent als „Geschichte des hellenischen Geistes in der slawischen Welt“ zu begreifen. Und er zeigte die tiefen gemeinsamen Wurzeln von Geistes-, Kultur- und Kirchengeschichte. Die geistige Eigenständigkeit Osteuropas bildete für Koch (im Unterschied zur älteren von Harnack geprägten Auffassung) keinen Gegensatz zum Westen. „Beide berühren und ergänzen sich (…) in ihren Wurzeln und an den Halmen. Ihre Wurzeln liegen beiderseits in der Antike (…) ihre Halmen aber sprießen in das Saatfeld der christlichen Kirche und bilden auf ihrem Boden eine Einheit in ökumenischer Schau.

Ein ganz wesentlicher Zug von Kochs wissenschaftlichen Ambitionen war die Frage der Vermittlung, der Popularisierung des Wissens. Er war in der Lage, schwierige theologische Sachverhalte knapp auf den Punkt zu bringen. Deshalb war er als Vortragender sehr beliebt und er geizte auch nicht mit seinen journalistischen Aufbereitungen. Vom Beginn an war er bei der evangelischen Medienarbeit dabei, er zählt zu den Gründervätern des Evangelischen Preßverbandes (1925)[104] und lieferte regelmäßig seine Beiträge für Kirchenzeitungen und Kalender, mochten sie wissenschaftlich oder auch literarisch ausgerichtet gewesen sein. Er war ein begeisternder Erzähler, wobei diese Geschichten durchaus einen historischen Kern besaßen, den er literarisch überhöhte, um sie in ihrer Tendenz plastischer und eindringlicher zu gestalten. So hat er seinem geistlichen Vater, dem Superintendenten D. Theodor Zöckler (1867-1949) in Stanislau, dem Leiter der dortigen Diakonischen Anstalten, ein literarisches Denkmal gesetzt, das bleiben wird[105]. Ihm stand er zur Seite, als dieser in den 20er-Jahren eine Übertrittsbewegung  zum Protestantismus zu bewältigen hatte, die immerhin zwischen 1924 und 1935 an die 10.000 Menschen erfasste, darunter zwei unierte Priester und einen in Rom ausgebildeten katholischen Priester[106]. Den Hintergrund dieser Konversionen bildete ein „Programm zur Rettung des ukrainischen Volkes“, das die Abkehr von den bisherigen „erstarrten Kirchenformen der römischen Union und der griechischen Orthodoxie“ und den Aufbau einer romfreien, aber auch von Russland unabhängigen, dem Westen zugewandten evangelischen Kirche verhieß, die Rückkehr zur schlichten Glaubenslehre des Urchristentums propagierte, zur Alleingeltung der Heiligen Schrift und zum allgemeinen Priestertum, schließlich aber den Anschluss an die bestehende Deutsche Evangelische Kirche A.u.H.B. in Galizien zum Ziel hatte. Dazu wurde eine ukrainische Übersetzung von Luthers Kleinem Katechismus (1929) und der Confessio Augustana (1933) angefertigt und eine ukrainisch-lutherische Liturgie (1933) wurde erarbeitet. Koch hat diese Bewegung nicht nur wissenschaftlich analysiert und kommentiert[107], sondern er stellte sich der „Zöckler-Kirche“ auch zur Verfügung, als es galt, diese beachtliche Zahl an Übertritten zu integrieren[108].

 

Die akademische Karriere von Koch ist bekannt und wurde auch schon wiederholt erörtert. Deshalb können hier ein paar Stichworte genügen. Sie führte ihn über den Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Preußischen Universität in Königsberg (1934), dem Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, verbunden mit der Leitung des Osteuropa-Instituts Breslau (1937)[109], nach Wien zurück (1940), wo ihm ein Ordinariat für Osteuropäische Geschichte (4.3.1940) und die Leitung des gleichnamigen Universitätsinstituts übertragen wurde[110]. Diese Ära in Wien 1940-1945, die Jahre des zweiten Weltkrieges, sie war gekennzeichnet durch seine völlige Absenz, die Geschichte des Instituts registriert lediglich wenige Besuche[111], zu einer Lehrtätigkeit kam es überhaupt nicht. Das hing damit zusammen, dass Koch zehn Tage vor dem  Ausbruch des Krieges, 21. August 1939 als Leutnant der Reserve in die Wehrmacht einberufen wurde und am Polenfeldzug teilnahm. Im Winter 1939/40 wirkte er bei der Umsiedlung der Deutschen aus Ostgalizien mit[112], hielt ihnen am Weihnachtstag 1939 in Lemberg eine Abschiedspredigt zu einem Vers aus dem Lukasevangelium (Lk 9,62)[113]: Wer die Hand an den Pflug legt und blickt zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Koch, der als Stellvertreter des Lemberger Bevollmächtigten in der deutsch-sowjetischen Repatriierungskommission mitwirkte und als Chefdolmetscher fungierte, wurde sogar attestiert, dass er „die Seele dieser Umsiedlungsaktion“ gewesen sei[114]. Anfang Februar 1940 war die Umsiedlung abgeschlossen, sie betraf an die 55.000 Menschen, die aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes über die Abgrenzung der deutsch-sowjetischen Interessenssphären in Polen zum Rückzug aus ihrer Heimat in Ostgalizien, Wolhynien, dem Narewgebiet und der Wilnaer Gegend gezwungen wurden.

 

Der nächste Auftrag führte ihn nach Bulgarien. Noch bevor Koch die Berufung nach Wien in Händen hielt, hatte das Auswärtige Amt und der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung einen weiteren Auftrag für ihn: er sollte den Aufbau eines Wissenschaftlichen Instituts in Sofia leiten. Verbunden damit war eine Gastprofessur an der Universität. Von dieser Tätigkeit wurde offenbar angenommen, dass sie in Kombination mit dem Lehramt in Wien geleistet werden konnte. Doch Koch sah für eine solche Kombination keinen Weg, er machte dienstliche Gründe geltend, die ihn in Sofia festhielten, wobei die Vermutung geäußert wurde, dass ihm im Rahmen der Abwehr besondere Aufgaben zufielen, nämlich seinen persönlichen Zugang zur Orthodoxie zu vertiefen und politisch auszuwerten[115]. Wir bewegen uns bei diesen Überlegungen freilich nicht auf gesicherter Quellengrundlage, dennoch möchte ich an dieser Stelle die Vermutung etwas substantiieren.

Hans Koch gab seit 1936 die Vierteljahresschrift für Kirchen- und Geistesgeschichte Osteuropas „Kyrios“ heraus und zwar bis 1942/43, dann musste sie ihr Erscheinen kriegsbedingt einstellen. Mit dieser Zeitschrift verfolgte er ein langfristiges Ziel. Er nahm nicht nur am Panorthodoxen Theologenkongress im Herbst 1936 in Athen[116] in offizieller Funktion teil, als „wohlwollender Beobachter“ und als Vertreter des Deutschen Reiches[117], von dem er zu behaupten wusste, dass es die politische Bedeutung der Ostkirche (im Blick auf die ökumenische Bewegung, die Kriegsschuldfrage und die Abwehr des Bolschewismus) rechtzeitig erkannt hätte. Nun waren die Balkankirchen über die ökumenische Bewegung (Konferenzen 1937 in Oxford und Edinburgh) immer stärker an die anglikanische Kirche herangerückt, mit der sie in der Überlieferung der alten Kirche der ersten fünf Jahrhunderte übereinstimmten und somit in einem Konsens in Lehr- und Kultusfragen standen. Das hatte zur Folge, dass sie von Deutschland abrückten und allen kulturellen und politischen Einflüssen aus Deutschland mit zunehmendem Misstrauen begegneten und eine entsprechend antideutsche Propaganda verbreiteten. Hier setzte eine Gegenstrategie ein, deren spiritus rector, so meine Vermutung, Koch gewesen ist und die mit der Zeitschrift Kyrios über ein im wissenschaftlichen Diskurs beachtetes  Organ verfügte. Teil der Strategie war auch, Dozenten und Studenten durch Stipendien nach Deutschland zu locken, Gelehrte aus dem Raum der Orthodoxie durch Ehrenpromotionen mit Deutschland ins Gespräch zu bringen: Chrysostomos Papadopoulos (1868-1938) 1937 in Königsberg, Nikolaus Louvaris (1887-1961) 1938 in Göttingen, Stefan Zankow (1881-1965) aus Sofia 1940 in Berlin, Nihifor Crainic (1889-1972) aus Bukarest 1941 in Wien. In diesem Zusammenhang ist auch auf drei serbisch-orthodoxe Theologen hinzuweisen, die in den Jahren des Zweiten  Weltkrieges ein Doktoratsstudium an der Wiener Evangelisch-theologischen Fakultät führten (Vaso Sipka, Nikola Vukčevič, Kristivoj Kotur) – mit Hilfe eines von Koch vermittelten Stipendiums[118]. In diese kulturpolitische Strategie, Wien zu einem Zentrum für die Süd-Ost-Forschung auszubauen, auf die Theologen der Balkanländer werbend einzuwirken und das Bild des Großdeutschen Reiches zu verbessern, ordne ich den Aufenthalt Kochs in Sofia ein, seine organisatorische Kompetenz war allgemein bekannt und konnte sich beim Aufbau des Deutschen Wissenschaftsinstituts in Sofia bewähren. Von Koch wird darüber hinaus berichtet, dass er Zugang zur bulgarischen Theologenausbildung gesucht und in diesem Rahmen Lehrveranstaltungen durchgeführt hätte. Das werte ich als Hinweis auf seine spezifische kulturpolitische Sendung, die freilich mit dem Beginn des Russlandfeldzugs beendet war.

 

Am 26. März 1941 wurde Koch als Hauptmann der Reserve wiederum zur Wehrmacht einberufen, als Spezialist für die Ukraine fiel ihm im Plan „Barbarossa“  eine wichtige Aufgabe zu, er hatte seine Kenntnisse der ukrainischen Freiheitsbewegung („freie Ukraine“) in den Dienst der NS-Ostpolitik zu stellen. In diesem Sinne hielt er am 15. Juni 1941 vor dem Stab der Heeresgruppe Mitte einen Vortrag, wie es die Nationalbewegung der Ukraine als Verbündete Deutschlands zu gewinnen gelte, um die deutsche Herrschaft über die Ukraine zu stabilisieren[119]. Am 30. Juni 1941 rückte mit den deutschen Truppen auch der Nachrichtenoffizier Koch mit einem Sonderauftrag der Abwehr in Lemberg ein, um sich mit dem Metropoliten Andrej Šeptyc’kyj (1865-1944) und den ukrainischen Politikern zu treffen, die eine Unabhängigkeitserklärung verlautbaren ließen[120]. Koch hielt diese für verfrüht und bemühte sich, sie rückgängig zu machen. Die deutschen Truppen beendeten nach einer Woche die ukrainische Unabhängigkeit, sie nahm die führenden Politiker in Haft. Kochs Haltung zugunsten einer ukrainischen Eigenstaatlichkeit konnte sich nicht durchsetzen, die offizielle NS-Ostpolitik ging in eine ganz andere Richtung[121].

War mit dieser politischen Entwicklung eine persönliche Enttäuschung Kochs verbunden, so stand sein wirkliches Damaskus-Erlebnis noch bevor. Dazu kam es im Herbst 1941 in Kiew. Am 19. Oktober 1941 marschierten die deutschen Truppen in Kiew ein, wenige Tage später kam es hier zu einem der großen Juden-Massaker von Babyn Jar, am Stadtrand von Kiew in der Babij-Jar-Schlucht. 33.000 Menschen, denen eine Umsiedlung vorgegaukelt worden war, wurden von deutschen Einsatzkommanden hingemetzelt. Voll Entsetzen schilderte Koch diese Vorkommnisse wenige Tage später einem Abgesandten des Außenamtes[122] und bald danach aufs Äußerste erregt seinem Freund Paul Zöckler (1894-????), dessen Sohn Erasmus Augen- und Ohrenzeuge der in polnischer Sprache geführten Unterredung gewesen ist[123]. Nach diesem Erlebnis habe Koch mit dem Nationalsozialismus gebrochen, so die entschiedene Aussage seiner Familie und seiner Freunde.

Der für die Ukraine zuständige Reichskommissär Erich Koch (1896-1986) veranlasste wiederholt Zurechtweisungen seines Namensvetters, im Mai 1942 die Ausweisung aus der Ukraine, weil der Verdacht bestand, dass er als Offizier der Wehrmacht die Widerstandsbewegung der Ukrainer gegen die Zivilverwaltung fördere.

Hans Koch zählte nach dem Krieg Maßregeln auf, die seine innere Entfremdung vom Nationalsozialismus erwiesen[124]. Als wichtig stufte er seine konfessionelle Gebundenheit ein, die den NS-Machthabern stets ein Dorn im Auge gewesen sei, dennoch gelang es ihm, die Zeitschrift „Kyrios“ als kirchliche Zeitschrift herauszugeben. Weiters benannte er Vorgänge in Breslau, Lemberg und Sofia, wo er jeweils wegen seiner Kritik an Parteimaßnahmen gemaßregelt wurde, weil er die Interessen der einheimischen Bevölkerung stärker vertrat als die der NSDAP oder weil er die bodenständige Bevölkerung gegen die Maßnahmen der Zivilverwaltung beeinflusste. Im Juni 1943 wurde ihm sogar eine Rede- und Schreibverbot erteilt, weil er Maßnahmen der Ostverwaltung in dienstlichen Berichten kritisiert hatte.

 

Die Frage nach der politischen Katharsis muss hier nicht beantwortet werden, vielleicht kann das im Rahmen einer Sammelschrift anlässlich seines 50. Todestages geschehen, an der nicht nur Osteuropahistoriker zu beteiligen wären, sondern auch Vertreter der Militärgeschichte, der Ostkirchenkunde, der Theologie, der Wissenschaftsgeschichte, Politologie, Galizien- und Ukrainespezialisten, Literaturhistoriker etc.

 

Im Blick auf das Thema soll aber abschließend noch festgestellt werden, dass Hans Koch nach 1945 der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Die Rückkehr nach Wien auf die Professur für Osteuropäische Geschichte, auf die er 1940 ernannt worden war, wurde ihm nicht ermöglicht. Als ehemaliges Parteimitglied der NSDAP übernahm ihn die Republik Österreich nicht in ihren Personalstand und berief sich auf seine deutsche Staatsbürgerschaft. Sein wiederholter Antrag auf Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft wurde abgewiesen. So sah er sich gezwungen, in den pastoralen Dienst zurückzukehren, er wirkte 1945-1952 in der Tochtergemeinde Aich-Assach im Ennstal als evangelischer Pfarrer[125], genau genommen: als Vikar, weil er mangels Staatsbürgerschaft auch nicht ein Pfarramt führen konnte.

 

Koch war auch ein Lyriker, er schrieb Gedichte und er konnte auch fremde Gedichte kongenial in die deutsche Sprache übertragen. Damit hat er der ukrainischen Literatur einen ganz großen Dienst geleistet[126].

 

Vergeblich bemühte er sich um seine Rehabilitation als Universitätslehrer[127]. Erst 1952 erfolgte eine (späte) Berufung an die Hochschule für Politik nach München, die mit dem Aufbau eines Osteuropa-Instituts verbunden war. Als Fachmann für die Sowjet-Union konnte er im Beraterstab des Bundeskanzlers Konrad Adenauer (1876-1967) bei seinem ersten Staatsbesuch in Moskau 1955 an der Lösung der Kriegsgefangenenfrage mitwirken[128]. 

 

Eine Berufung an die Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität München 1958 ermöglichte ihm schließlich eine universitäre Bilanz seiner Osteuropaforschung: zuerst aus der Perspektive der Theologie, sodann an der Philosophischen Fakultät als Osteuropahistoriker, schließlich unter politikwissenschaftlichem Vorzeichen. Eine Rückberufung nach Wien zur Förderung der Osteuropa-Forschung (wir stehen unmittelbar vor der Gründung des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts im Palais Pálffy am Wiener Josefsplatz) kam nicht mehr zustande. Die philosophische Fakultät weigerte sich, ihn auf eine neu geschaffene Stelle zu berufen, er sei als Parteigänger des untergegangenen NS-Regimes allzu sehr kompromittiert. Eine Berufung an die evangelisch-theologische Fakultät lehnte Koch ab, weil sie ihm nicht die notwendige wissenschaftliche Nachwuchsförderung ermöglicht hätte. Aber das war nur ein vorgeschobenes Argument. In Wahrheit ging es ihm um die Genugtuung seiner Rehabilitation und Wiedereinsetzung in seine Wiener Professur. Dazu ist es nicht gekommen. Im Personalakt hat der für die Verhandlungen zuständige Ministerialbeamte am 28. Oktober 1958 den Satz niedergeschrieben[129], mit dem ich diese Erinnerung an Hans Koch fünfzig Jahre später abschließen darf:

Nach alldem (…) kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass alles, was Prof. Koch zum Vorwurf gemacht wird, nicht auf unehrenhaftem Verhalten und charakterlichen Mängel des Genannten eine Grundlage findet, sondern in der nicht immer von allen Seiten richtig gewürdigten Kraft seiner Persönlichkeit, vor der sehr oft die Furcht größer ist als die nur ungern anerkannte überragende Fähigkeit.   

 

Es zogen kaum fünf Monate ins Land, da setzte in den Morgenstunden des 9. April 1959 ein Herzinfarkt seinem Leben eine letzte Grenze. Am 12. April, einem Sonntag, wurde er am evangelischen Friedhof in Gröbming im Ennstal bestattet.



* Vortrag auf der Kulturtagung in Lambrecht/Pfalz 17.5.2008.

[1] Karl Schwarz, Ein Landsknecht Gottes. Zur Erinnerung an Hans Koch (1894-1959), in: Zeitweiser der Galiziendeutschen 24 (1994) 25-38.

[2] Karl Schwarz, Von Galizien nach Wien: Ein Lebensbild des Theologen und Dichters Franz Fischer, in: Zeitweiser der Galiziendeutschen 46 (2008) 9-18.

[3] Karl Schwarz, „Eine Fakultät für den Südosten“. Die Evangelisch-theologische Fakultät in Wien und der „außendeutsche Protestantismus“, in: Südostdeutsches Archiv 36/37 (1993/94) 84-120; ders., Evangelische Theologie zwischen kultureller Nachbarschaftshilfe und volksdeutschem „Sendungsbewusstsein“. Die Wiener Protestantisch-theologische Lehranstalt/Fakultät und ihre Bedeutung für den Donau- und Karpatenraum, in: Danubiana Carpathica 1 (2007) 89-112, ders., Die Wiener Protestantisch-theologische Lehranstalt, ihre Gründung 1819/21 und ihre Beziehung zur Zips, in: Wynfrid Kriegleder/Andrea Seidler/Jozef Tancer (Hg.), Deutsche Sprache, Kultur und Presse in der Zips (= Presse und Geschichte. Neue Beiträge 24, Bremen 2007) 137-153. 

[4] Peter F. Barton, Das evangelische Galizien und die evangelischen Kirchen Österreich-Ungarns und Deutschlands, in: Geist und Glaube. Eine Gedenkschrift für Prof. Dr. Dr. Franz Fischer (1895-1975), Wien o.J., 7-17; Oskar Wagner, Die evangelische Kirche in Schlesien, Mähren, Galizien und der Bukowina in der Toleranzzeit, sowie deren Superintendenzen, in: Peter F. Barton (Hg.), Im Zeichen der Toleranz. Aufsätze zur Toleranzgesetzgebung des 18. Jahrhunderts im Reiche Joseph II. (= Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte II/8, Wien 1981), 276-323; Isabel Röskau-Rydel (Hg.), Galizien, Bukowina, Moldau (= Deutsche Geschichte im Osten Europas, Berlin 1999, ²2002).

[5] Ansiedlungspatent Maria Theresias für Galizien (1.10.1774), abgedruckt in: Fritz Seefeldt (Hg.), Quellenbuch zur deutschen Ansiedlung in Galizien unter Joseph II. (= Ostdeutsche Forschungen 3, Plauen 1935), 19 f.

[6] Ansiedlungspatent Josephs II. (17.9.1781), abgedruckt in: Quellenbuch zur deutschen Ansiedlung in Galizien unter Joseph II., 21-23.

[7] Traktat vom 18.9.1773, Art. V, abgedruckt in: Quellenbuch zur deutschen Ansiedlung in Galizien unter Joseph II., 18 – dazu: Karl Völker, Der Protestantismus in Österreich und Polen im Ringen um seine Rechtsstellung, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 53 (1934) 542-570, 564 ff.

[8] Rudolf Walloschke, Beiträge zur Geschichte der evangelischen Pfarrgemeinden in Galizien von 1781 bis 1945, in: Zeitweiser 21 (1980) 31-60, 33; Oskar Wagner, Die Bürde des Toleranzpatentes. Zur Geschichte der Evangelischen Kirche in Galizien und der Bukowina in der Toleranzzeit (1781-1861), in: Zeitweiser 22 (1981) 46-55.

[9] Karl Völker, Die Entstehung des reformierten Seniorates in Galizien, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 55 (1934) 173-178.

[10] Julius Albert Kolatschek, Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Biala in Galizien (Teschen 1860).

[11] Rudolf Kesselring, Die evangel[ischen] Siedlungen Galiziens im josefinischen bis franzisceischen Zeitalter 1772-1822 (Lemberg 1912) 43 ff.

[12] Karl Völker, Die Anfänge der evangelischen Gemeinde zu Zaleszczyki in Galizien, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 30 (1909) 157-174.

[13] Gustav Müller, Die Mennoniten in Galizien, in: Julius Krämer (Hg.), Heimat Galizien. Ein Gedenkbuch (Kaiserslautern-Stuttgart/Bad Cannstatt 1965, ³1988) 168-172.

[14] Heinrich Pauls, Die galizische Mennonitengemeinde. Ein Abriß ihrer Geschichte, in: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina 7 (1910) 105-107.

[15] Zit. bei: Karl Schwarz, Sie reden „fast ganz in den Ausdrücken der Bibel“: Mennoniten in Galizien und Österreich, in: Ulrike Aichhorn/Alfred Rinnerthaler (Hg.), Scientia Iuris et Historia. Festschrift für Peter Putzer zum 65. Geburtstag (München 2004), 1039-1064, 1055, Anm. 40.

[16] So in einer eingehenden Denkschrift von Superintendent Friedrich Wilhelm Stockmann an das k.k. Landespräsidium „über die beabsichtigte Beschränkung der Freiheiten der galizischen Protestanten (27.02.1825), hrsg. von Georg Loesche, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 25 (1904) 347-363. – Dazu Wagner, Die evangelische Kirche in (…) Galizien und der Bukowina, 317 ff.

[17] Karl W. Schwarz, Heiraten zwischen „Geduldetwerden“ und „Versprechenmüssen“, in: Amt und Gemeinde 52 (2001) 218-226.

[18] Peter F. Barton, Extremster Diasporaprotestantismus: Das „evangelische Galizien“ – ein Modellfall, in: ders./Mihály Bucsay/Robert Stupperich, Brücke zwischen Kirchen und Kulturen (= Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte II/1, Wien-Köln-Graz 1976), 72-79.

[19] Hans Koch, Ein hohepriesterliches Geschlecht, in: ders., Kyr Theodor, hg. von Georg Traar (Wien 1967) 23-51 = Hans Winfried Schäfer, Ein hohepriesterliches Geschlecht, in: Glaube und Heimat 5 (1951) 88-100.

[20] A. Ludovicus Haan, Jena Hungarica sive memoria Hungarorum a tribus proximis saeculis Academiae Ienensi adscriptorum (Gyula 1858), 116.

[21] Barton, Extremster Diasporaprotestantismus, 76.

[22] Samuel Bredeczky (Hg.), Topographisches Taschenbuch für Ungern, auf das Jahr 1802 (Ödenburg 1802); ders. (Hg.), Beyträge zur Topographie des Königreichs Ungarn (Wien 1803-1805); ders. (Hg.), Neue Beyträge zur Topographie und Statistik des Koenigreichs Ungarn (Wien 1807).

[23] Samuel Bredetzky, Historisch-statistischer Beytrag zum deutschen Kolonial-Wesen in Europa, nebst einer kurzen Beschreibung der deutschen Ansiedelungen in Galizien in alphabetischer Ordnung (Brünn 1812) – zum Verfasser vgl. die zahlreichen Einträge bei: Gertraud Marinelli-König, Ober-Ungarn (Slowakei) in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vormärz (1805-1848). Blicke auf eine Kulturlandschaft der Vormoderne. Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme der Beiträge über die historische Region und ihre kulturellen Verbindungen zu Wien (Wien 2004), 711 (Register).

[24] Samuel Bredeczky, Reisebemerkungen über Ungern und Galizien (Wien 1809) – dazu: Jozef Tancer, Ungarns reisende Patrioten: Jakob Glatz und Samuel Bredeczky, in: Deutsche Sprache und Kultur in der Zips, 243-256.

[25] Röskau-Rydel, 49.

[26] Zoltán Csepregi, Die Ausbildung lutherischer Pfarrer in Ungarn. Zur Geschichte und Gegenwart der Theologischen Akademie in Budapest, in: Lutherische Kirche in der Welt 47 (2000) 93-10; István György Tóth (Hg.), Geschichte Ungarns (Budapest 2005), 364 ff.

[27] Othmar Feyl, Die führende Stellung der Ungarländer in der internationalen Geistesgeschichte der Universität Jena, in: Wiss. Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena 3 (1953/54) Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe H.4/5, 399-445; ders., Exkurse zur Geschichte der südosteuropäischen Beziehungen der Universität Jena, ebd. 4 (1954/55) H. 5/6, 399-442; Herbert Peukert, Die Slawen der Donaumonarchie und die Universität Jena 1700-1848 (Berlin/DDR 1958).

[28] István Gémes, Hungari et Transylvani. Kárpát-medencei egyetemjárók Tübingenben (1523-1918) (Budapest 2003); Márta Fata, Studenten aus Ungarn und Siebenbürgen an der Universität Tübingen. Eine 500 Jahre lange Beziehungs- und Wirkungsgeschichte, in: dies./Gyula Kurucz/Anton Schindling (Hg.), Peregrinatio Hungarica. Studenten aus Ungarn an deutschen und österreichischen Hochschulen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert (= Contubernium 64, Stuttgart 2006), 229 ff.

[29] Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 (Stuttgart 1967), Bd. I, 729.

[30] Karl-Reinhart Trauner, „... jeder möglichen Beirrung der Gemüter vorbeugen!“ Die Metternich‘sche Repressionspolitik an den Universitäten am Beispiel der „k.k. Protestantisch-Theologischen Lehranstalt in Wien“, in: GDS-Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte 3 (1996) 41-57.

[31] Rita R. Thalmann, Einige Beispiele zur Rolle der deutschen wissenschaftlichen Institute in den Kulturbeziehungen mit Mittel- und Südosteuropa, in: Richard Georg Plaschka/Karlheinz Mack (Hg.), Wegenetz Europäischen Geistes (Wien 1983), 433-450; Moritz Csáky, Der Stellenwert Wiens im Prozess des kulturellen Austauschs zwischen West- und Südosteuropa, in: ebd. 356-369, 363.

[32] Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (Wien 1997), 203.

[33] Eine Geschichte der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien ist nach wie vor ein Desiderat – vgl. aber die Festschrift zum 175jährigen Jubiläum mit zahlreichen einschlägigen Beiträgen: Karl Schwarz/Falk Wagner (Hg.), Zeitenwechsel und Beständigkeit. Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien 1821-1996 (= Schriftenreihe des Universitätsarchivs Universität Wien 10, Wien 1997). 

[34] Michael Taufrath, Kurze Nachrichten über die k.k. ev.-theologische Fakultät in Wien (Wien 1871), 52.

[35] Paul Philippi, Staatliche Einheit und gesellschaftliche Pluralität in der Religionsgesetzgebung des Fürstentums Siebenbürgen (1974), Nachdruck in: ders., Land des Segens? Fragen an die Geschichte Siebenbürgens und seiner Sachsen (= Siebenbürgisches Archiv 39, Köln-Weimar-Wien 2008) 167-186.

[36] Die Evangelisch-theologische Fakultät in Wien, in: Protestantische Jahrbücher für Österreich 2 (1855) 575-579.

[37] Harald Zimmermann, Berühmte Siebenbürger Sachsen in Wien (1993), Nachdruck in: ders., Siebenbürgen und seine Hospites Theutonici (= Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens 20, Köln-Weimar-Wien 1996) 294-299, 297.

[38] Karl Völker, Die Galizier an der evangelisch-theologischen Fakultät in Wien, in: Gedenkbuch zur Erinnerung an die Einwanderung der Deutschen in Galizien vor 150 Jahren (Posen 1931), 82-91.

[39] Mihály Bucsay, Der Protestantismus in Ungarn 1521-1978 (= Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte I/3,2, Wien-Köln-Graz 1979), 86 ff.

[40] Peter Karner, Der reformierte Lehrstuhl der evangelisch-theologischen Fakultät, in: ders. (Hg.), Die evangelische Gemeinde H.B. in Wien. Jubiläumsschrift (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 16, Wien 1986) 177-187, 181.

[41] Karl W. Schwarz, Von Kollár bis Kvačala. Die Wiener Evangelisch-theologische Lehranstalt und ihre Beziehungen zur Slowakei, in: Der Donauraum 34 (1994) 90-104; Nachdruck in: Dušan Ondrejovič (Hg.), Evanjelická teológia na prahu nového storočia [Evangelische Theologie in der Arbeit des neuen Jahrhunderts] (Bratislava 2001) 129-148.

[42] Karl W. Schwarz, „Ein verlassenes Stiefkind“ vor dem „Tempel der Freiheit“. Die Wiener Protestantisch-theologische Lehranstalt im Frühjahr 1848, in: Mensch-Wissenschaft-Magie. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte 25 (2007) 145-160.

[43] Gustav Reingrabner, Geschichtsmächtigkeit und Geduld. Probleme um die Eingliederung der evangelisch-theologischen Fakultät in die Universität Wien, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 99-119.

[44] Theodor Haase, Die sechste Generalsynode der ev. Kirche A.B. (1895) (Wien 1898) 155-158, 156.

[45] Harald Baumgartner, Verzeichnis der Promotionen und Habilitationen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 515-530.

[46] Franz Fischer, Evangelischer Religionsunterricht im Umbruch (Frankfurt/M. 1940). – Dazu Schwarz, Von Galizien nach Wien, 15 ff.

[47] Rudolf Kesselring, Die Einigungsbestrebungen der Evangelischen Kirchen in Polen (Lwów o.J. [1926]).

[48] Hans Koch, Die russische Orthodoxie im Petrinischen Zeitalter. Ein Beitrag zur Geschichte westlicher Einflüsse auf das ostslavische Denken (Breslau-Oppeln 1929).

[49] Herbert Krimm, Die Agende der niederösterreichischen Stände vom Jahre 1571, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 55 (1934) 3-64; 56 (1935) 52-87; 57 (1936) 51-70.

[50] Karl Völker, Toleranz und Intoleranz im Zeitalter der Reformation (Leipzig 1912).

[51] Martin Hennig, Die evangelisch-lutherische Kirche in Polnisch-Wolhynien. Ihre Geschichte, die Form ihres Dienstes und die Äußerungen ihrer Frömmigkeit (Leipzig 1933).

[52] Karl Völker, Der Protestantismus in Polen auf Grund der einheimischen Geschichtsschreibung dargestellt (Leipzig 1912) – dazu Rudolf Leeb, Zum wissenschaftlichen Profil der an der Fakultät lehrenden Kirchenhistoriker und zur österreichischen evangelischen Protestantengeschichtsschreibung, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 13-48, 24 ff.

[53] Maschinschriftliche Habilitationsschrift (Wien 1929): Ein Exemplar ist in der Fakultätsbibliothek mit der Signatur Sk 52.15 vorhanden – Dazu Karl Schwarz, „Haus in der Zeit“. Die Fakultät in den Wirrnissen dieses Jahrhunderts, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 125-204, 141 ff.; Rudolf Leeb, ebd. 27 ff.

[54] Schwarz, „Haus in der Zeit“, 149.

[55] Zagreb 5.11.1932: Bischof Philipp Popp; Gablonz a.d. Neiße 7.3.1933: Kirchenpräsident D. Erich Wehrenfennig – zit. bei Schwarz, „Haus in der Zeit“, ebd.

[56] Karl W. Schwarz, „Unter dem Gesetz der Diaspora“. Das Diasporaverständnis des österreichischen Theologen Gerhard May zwischen politischer Konjunktur und theologischer Metaphorik, in: Kirche und Diaspora – Erfahrungen und Einsichten (= Quellen und Forschungen zur Diasporawissenschaft 3, Leipzig 2006), 9-40.

[57] Gerhard May, Die volksdeutsche Sendung der Kirche (Göttingen 1934).

[58] Oskar Wagner, Galiziendeutsche als Universitätsprofessoren, 245 ff.; Harald Kruska, Die Christliche Theologische Akademie in Warschau, in: Theologia Viatorum 7 (1959/60) 120-129, 122.

[59] Rudolf Kesselring, Die evangelischen Siedlungen Galiziens im josefinischen und franziszeischen Zeitalter, (phil. Diss. Czernowitz 1909), veröffentlicht 1912; Evangelische Kirchengemeinde Lemberg 1778-1928 (Lemberg 1929) - dazu Erich Müller, Kesselrings „Evangelische Kirchengemeinde Lemberg 1778-1928“, in: Zeitweiser 35 (1997) 125-149; Humanismus und Reformation in Polen (1927); Neu-Sandetz und das Neu-Sandetzer Land. Ihre deutsche Vergangenheit und Aufbauarbeit 1230-1940 (1941).

[60] Alfred Kleindienst/Oskar Wagner, Der Protestantismus in der Republik Polen 1918/19 bis 1939 im Spannungsfeld von Nationalitätenpolitik und Staatskirchenrecht, kirchlicher und nationaler Gegensätze (= Marburger Ostforschungen 42, Marburg/Lahn 1985), 123.

[61] Studentenstatistik 1931-1945 (nach Herkunftsländern) bei Schwarz, „Eine Fakultät für den Südosten“, 96.

[62] Wagner, Galiziendeutsche als Universitätsprofessoren, 240 ff.

[63] Wilhelm Pratscher, Rudolf Knopf als Exeget, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 277-293

[64] Gedruckt Posen 1929.

[65] Allgemeine kirchliche Zeitschrift 4 (1863) 456-463, 460.

[66] Julius Albert Kolatschek, Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Biala in Galizien (Teschen 1860); ders., Die evangelische Kirche Österreichs in den deutschslawischen Ländern (Wien 1869).

[67] Herbert Patzelt, Geschichte der Evangelischen Kirche in Österreichisch-Schlesien (= Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien 5, Dülmen 1989), 183 ff.

[68] Patzelt, 183.

[69] Paul Dedic, Karl Völker zum Gedächtnis, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 59 (1938) 1-14 (mit Bibliographie); Wagner, Galiziendeutsche als Universitätsprofessoren, 240 ff.; Rudolf Leeb, Zum wissenschaftlichen Profil der an der Fakultät lehrenden Kirchenhistoriker und zur österreichischen evangelischen Protestantengeschichtsschreibung, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 13-48, 24 ff.

[70] Der Protestantismus in Polen auf Grund der einheimischen Geschichtsschreibung (Leipzig 1910).

[71] Herbert Krimm/Ernst Hofhansl, 90 Jahre Wiener Theologenheim, in: Glaube und Heimat 1991, 68-77.

[72] Ernst Hofhansl, Non enim satis est literas discere. Die Wiener Professoren Skalský, Völker und Entz als Lehrer der Praktischen Theologie von 1895-1955, in: Zeitenwechsel und Beständigkeit, 487-512, 495 ff.

[73] Bernhard Hans Zimmermann, Zum 100. Geburtstag von Roland A.B. Steinacker (1870-1962), in: Südostdeutsches Archiv 13 (1970) 227-232.

[74] Leeb, Zum wissenschaftlichen Profil, 31 ff. 

[75] Mathias Wolfes, Herbert Krimm, in: BBKL XXV (2005) Sp. 739-750.

[76] Christian Weise, Oskar Wagner, in: BBKL XIII (1998) Sp. 151-159.

[77] Ebd. 152; vgl. Peter F. Barton, Das „Institut für protestantische Kirchengeschichte Wien“, in: Brücke zwischen Kirchen und Kulturen, 80-89; Karl W. Schwarz, Das Institut für Kirchengeschichte des Donau- und Karpatenraumes an der Comenius-Universität Pressburg/Bratislava, in: Beiträge zur ostdeutschen Kirchengeschichte 7 (2005) 236-245.

[78] Oskar Wagner, Mutterkirche vieler Länder. Geschichte der Evangelischen Kirche im Herzogtum Teschen 1545-1918/20 (= Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte I/4, Wien-Köln-Graz 1978).

[79] Oskar Wagner, Zwischen Völkern, Staaten und Kirchen. Zur Geschichte des Protestantismus in Ostmitteleuropa (Berlin-Bonn 1986).

[80] Weise, ebd. 153.

[81] Hans Beyer, Viktor Glondys 1882-1949. Ein Beitrag zur Geistes- und Kirchengeschichte des Südostdeutschtums zwischen den beiden Weltkriegen, in: Festschrift für Balduin Saria zum 70. Geburtstag (München 1964), 408-438; Johann Böhm, D. Dr. Viktor Glondys (1882-1949). Sein Wirken als Bischof der evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien von 1932 bis 1941, in: Beiträge zur ostdeutschen Kirchengeschichte 7 (2005) 147-175.

[82] Karl-Reinhart Trauner, Die Los-von-Rom-Bewegung. Gesellschaftspolitische und kirchliche Strömung in der ausgehenden Habsburgermonarchie (Szentendre 1999).

[83] Kurt Rein, Czernowitz und die Deutschen, in: Harald Heppner (Hg.), Czernowitz. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt (Köln-Weimar-Wien 2000), 81-101, 99.

[84] Victor Glondys, Die Lehre Spinozas von der All-Einheit (phil. Diss. Graz 1916).

[85] Ekkehart Lebouton, Der ökumenische Geist an der Czernowitzer Universität, in: Rudolf Wagner (Hg.), Alma Mater Francisco Josephina. Die deutschsprachige Nationalitätenuniversität in Czernowitz. Festschrift zum 100. Geburtstag ihrer Eröffnung 1875 (München 1975), 136-144.

[86] Viktor Glondys, Die deutsche Universität in Czernowitz, in: Ostland 2 (1919/20) H. 2, 66-71.

[87] Viktor Glondys, Evangelisches Deutschtum in Großrumänien, in: Ernst Schubert (Hg.), Jahrbuch Auslanddeutschtum und evangelische Kirche. (München 1932), 148-164.

[88] Konrad Gündisch, Siebenbürgen und seine Siebenbürger Sachsen (München 1998) 295.

[89] Ulrich Andreas Wien, in: RGG 4. Aufl. Bd. III (2000), Sp. 1010 f.

[90] Ulrich Andreas Wien, Kirchenleitung über dem Abgrund. Bischof Friedrich Müller vor den Herausforderungen durch Minderheitenexistenz, Nationalsozialismus und Kommunismus (= Studia Transylvanica 25, Köln-Weimar-Wien 1998), 216.

[91] Viktor Glondys, Tagebuch. Aufzeichnungen von 1933 bis 1949, hrsg. von Johann Böhm und Dieter Braeg, bearbeitet von Johann Böhm (= Publikationen des Arbeitskreises für Geschichte und Kultur der deutschen Siedlungsgebiete im Südosten Europas I/5, Dinklage 1997), 231 f. – Zu dieser Edition vgl. auch Ulrich Andreas Wien, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 20 (1997) 202-210; Karl Schwarz, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 115 (1999) 251-255.

[92] Hans Koch, Die Dame in Grau. Aus den Papieren eines Spätheimkehrers 1921, In: Zeitweiser 1957, 85-90, 89.

[93] Hans Koch, Pfälzisches Volksdeutschtum und Evangelische Kirche, in: Ernst Schubert (Hg.), Jahrbuch Auslanddeutschtum und evangelische Kirche (München 1938), 84-166; ders., Evangelische Pfälzer im Osten: Aufstieg und Untergang, in: Südostdeutsche Heimatblätter 2 (1953) 9-15.

[94] Biographische Hinweise bei Alexander Adamczyk (Hg.), Hans Koch zum Gedenken (München 1959) – mit einem ausgezeichneten Nachruf von Günther Stökl; Oskar Wagner, In memoriam Hans Koch, in: Kyrios N.F. 1 (1960/61)  5-10; Georg Traar, Eine Wolke von Zeugen (Wien 1974), 302-305; Karl Schwarz, Hans Koch (1894-1959) – ein Landsknecht Gottes aus Osteuropa, in: Reinhart Waneck (Hg.), Wartburg-Argumente H.3 (Wien 1995) 37-63; zuletzt Andreas Kappeler, Hans Koch (1894-1959), in: Arnold Suppan/Marija Wakounig/Georg Kastner (Hg.), Osteuropäische Geschichte in Wien. 100 Jahre Forschung und Lehre an der Universität (Innsbruck 2007) 227-254.

[95] Peter F. Barton, Christentum und Kirchen in Südostmitteleuropa (Hannover 1975), 21.

[96] Hans Koch, Die „Wartburg“ in Wien, in: Die evangelische Diaspora 17 (1935) 198-206.

[97] Karl-Reinhart Trauner, Vom Hörsaal in den Schützengraben. Evangelische Theologiestudenten im Ersten Weltkrieg (Szentendre 2004), 123 ff. An dem Beschluss der Hörerschaft (26.11.1914) selbst nahm Koch nicht teil. 

[98] Viktor Wagner, Unsere Siedlungen im Ersten Weltkrieg, in: Heimat Galizien, 101-107.

[99] Hans Koch, Lebenslauf (Rigorosenakten), zit. bei Kappeler, Koch, 229.

[100] Im Archiv des Osteuropa-Instituts München liegt ein masch. Manuskript mit deutscher Übersetzung, das mir freundlicherweise durch Prof. Erich Müller/Berlin in Ablichtung zugegangen ist.

[101] V. Lassovskyj, General Taranavskyj. Reportage [ukrainisch] (Lemberg 1935), 123 f.

[102] Kappeler, Koch, 229 f.

[103] Sie ist erst posthum im Druck erschienen, in: Hans Koch, Kleine Schriften zur Kirchen- und Geistesgeschichte Osteuropas (Wiesbaden 1962), 42-107.

[104] Gustav Reingrabner, Sechzig Jahre Evang. Presseverband in Österreich, in: Glaube und Heimat 1985, 43-51.

[105] Hans Koch, Kyr Theodor und andere Geschichten, hrsg. von Georg Traar (Wien 1967), 5 ff. – auch abgedruckt in: Hans Strohal (Hg.), D. Theodor Zöckler. Zum 100. Geburtstag von Vater Zöckler (Stuttgart 1967), 86 ff.

[106] Rudolf Wagner, Die ukrainisch-protestantische Bewegung in Ost-Galizien (phil. Diss. Marburg 1942); Oskar Wagner, Die evangelische Bewegung unter den Ukrainern (1924-1948) (1960), Nachdruck in: ders., Zwischen Völkern, Staaten und Kirchen, 171-224.

[107] Hans Koch, Über ukrainischen Protestantismus, in: Die evangelische Diaspora 8 (1926) 17-30; ebd. 13 (1931) 102-110; ders., Die Ukraine, in: Zeitwende 5 (1929) 60-71.158-162; ders. Ukraine und Protestantismus, in: Ostdeutsche Wissenschaft 1 (1954) 45-68.

[108] C. Erasmus Zöckler, Ein Leben für die Kinder. Theodor Zöckler und Lillie Zöckler. Das Bethel des Ostens (Bergisch Gladbach 2005) 310 ff.

[109] Martin Burkert, Die Ostwissenschaften im Dritten Reich I: Zwischen Verbot und Duldung. Die schwierige Gratwanderung der Ostwissenschaften zwischen 1933 und 1939 (= Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 55, Wiesbaden 2000), 218 ff.

[110] Kappeler, Koch, 240 ff.

[111] Walter Leitsch/Manfred Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte der Universität Wien 1907-1948 (Wien-Köln-Graz 1983), 187; Kappeler, Koch, 240 f.

[112] Hans Koch, Tagebuchaufzeichnungen über die Umsiedlung der Deutschen aus Ostgalizien, in: Aufbruch und Neubeginn. Heimatbuch der Galiziendeutschen II. Teil (Stuttgart/Bad Cannstatt 1977), 181-196; Sepp Müller, Die Umsiedlung der Galiziendeutschen 1939/40, in: Ostdeutsche Wissenschaft 7 (1960) [= Gedenkschrift für Hans Koch] 341-354.

[113] Hans Koch, Die Hand am Pflug, in: Heimat Galizien II, 219-221.

[114] Sepp Müller, ebd. 348 ff.

[115] Kappeler, Koch, 243 Anm. 47 – mit Hinweis auf eine Mitteilung des Verfassers.

[116] Hans Koch, Die orthodoxe Kirche des Ostens (…) 1936, in: Osteuropa 12 (1937) 493-502, 499 ff.

[117] Hans Koch, Bericht als Leiter des Osteuropa-Instituts Breslau über den Zeitraum 1. Oktober 1937 bis 31. März 1940 (begonnen vor Stalingrad, Ende November 1942, abgeschlossen im Lazarett, Mitte Januar 1943), in: Jahrbuch des Osteuropa-Instituts 1942.

[118] Schwarz, „Haus in der Zeit“, 191.

[119] Kappeler, Koch, 243

[120] Frank Grelka, Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft 1918 und 1941/42 (Wiesbaden 2005), 153.

[121] Alexander Dallin, Deutsche Herrschaft in Russland 1941-1945 (Düsseldorf 1958) 129 ff.; 528; Peter Kleist, Zwischen Hitler und Stalin 1939-1945 (Bonn 1950) 180 f.

[122] Gerhard Kegel, In den Stürmen unseres Jahrhunderts. Ein deutscher Kommunist über sein ungewöhnliches Leben (Berlin/DDR 1987), 306-312.

[123] Frdl. Hinweis von Prof. Dr.med. Erasmus Zöckler, Lambrecht/Pfalz am 7.5.2004.

[124] Hans Koch, Dienstliche Meldung über mein Mitgliedsverhältnis zu der ehemaligen NSDAP (Aich-Assach 1945) – Nachlass Koch, Galiziendeutsches Heimatarchiv im Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern. Für die Überlassung von Kopien sei auch an dieser Stelle Herrn Prof. Erich Müller/Berlin sehr herzlich gedankt.

[125] Leopold Achberger, Hans Koch zum Abschied, in: Kirchenbote für die ev. Gemeinden 1953, 16; ders., Nachruf, in: Amt und Gemeinde 10 (1959) 42; Herbert Rampler, Evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen der Steiermark seit dem Toleranzpatent (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 40, Graz 1998), 384 ff.

[126] Hans Koch (Hg.), Die ukrainische Lyrik 1840-1940. Ausgewählt und übertragen von Hans Koch (Wiesbaden 1955).

[127] Corinna R. Unger, Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (1945-1975) (= Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1, Stuttgart 2007) – frdl. Hinweis von Dr. Wolfgang Kessler/Herne.

[128] Hans Koch, Die deutsch-sowjetische Konferenz von Moskau im September 155 (Konstanz 1956).

[129] Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Bestand Unterrichtsministerium, Personalakt  99. GZ. 97352/58.