Oskar Sakrausky
Laudatio für Prof. Dr. Peter F. Barton

Die Johannes-Mathesius-Medaille wurde beim Festakt der Jahrestagung der Joh.-Mathesius-Gesellschaft auf Schloß Walchen in Oberösterreich Univ. -Prof. Dr. Peter F. Barton, dem Direktor des "Instituts für protestantische Kirchengeschichte" in Wien überreicht.In der Laudatio für Prof. Barton würdigte Bischof Oskar Sakrausky, Wien, die wissenschaftliche Tätigkeit des Geehrten, indem er im wesentlichen ausführte:

"Das Hauptinteresse Peter Bartons gilt der Kirchengeschichte des Teiles Europas, in welchem sich einerseits der römische Katholizismus seine Hauptposition seit der Reformation bewahrt hatte, aber nicht verhindern konnte, daß durch die Reformation und deren Bekenner wesentliche Entwicklungen auf kulturellem und politischem Gebiet ausgelöst wurden. So ist heute weder der böhmisch-mährische, noch der slowakisch-ungarische, als auch der slowenisch-kroatische Raum ohne die Einflüsse reformatorischer Bewegungen, gleich ob augsburgischen oder helvetischen Bekenntnisses, denkbar. Als Beispiele führe ich nur die Sprachwerdung des slowenischen Volkes, oder die Entwicklung des politischen Bewußtseins in Ungarn an.

Gerade diese Ströme der Reformation in den katholischen südosteuropäischen Block hinein, bis an die Grenzen des alten byzantinisch-orthodoxen Gebietes hat Peter Barton sich zur Beobachtung und Durchforschung zur Aufgabe gemacht. In diesem Zusammenhang muß man seine wesentlichen Veröffentlichungen sehen. Gleichsam als Vorbereitung für diese Aufgabe können wir die intensive Erforschung des flacianischen Kreises um Tileman Heshusius sehen, da die bäuerlichen Toleranzgemeinden um Eferding, in Kärnten, um Schlad-ming und im Burgenland mit ihren flacianischen Wurzeln bis in die Reformationszeit hineinreichen und ihren Bekenntnischarakter bewahrt haben. So erschien bereits im Jahre 1957 seine Dissertation über "Tileman Heshusius und die lutherische Lehre vom Baum". Fortgesetzt wird diese Arbeit mit einer vorläufigen Heshusius-Bibliographie im Jahre 1963, mit dem Titel "Um Luthers Erbe: Bibliographia Heshusiana". Im gleichen Jahr erschien noch der "junge Heshusius 1527—1558". Es ist interessant, daß von diesem Mann auch im Diözesanmuseum in Freiach eine Postille liegt, die aus der ehemals flacianischen Gemeinde Trebesing stammt. Eine Neubearbeitung der Heshusius-Studien kam dann im Jahre 1972 heraus. In diesem Zusammenhang muß man auch noch seine Arbeit "Reformatorische Bekenntnisse in Österreich und Südostmitteleuropa L, N. Oe. l" sehen. Die zweite Linie seines Forschens, die mit der ersten zusammenhängt, beginnt bereits sehr früh mit den Studien über Philipp Melanchthon, welche Peter Barton im Rahmen seiner Tätigkeit als Universitätsassistent in Münster durchführte. So erschienen im Rahmen einer Melandithon-Ausgabe von ihm die "Annotiones in Epistulam Pauli ad Romanos 1522", bzw. "In Evangelium loannis Annotationes, 1523". Im Rahmen der Studienausgabe durch Robert Stupperich kam dann der Band 4 mit den frühen exegetischen Schriften Melanchthons heraus.

Diese zweite Linie, bei der es um die richtige Abgrenzung von Humanismus und Reformation, aber auch um das richtige Zusammenwirken beider geht, ist auch für die Kirchengeschichte in unserem östlichen Raum von Bedeutung. Auch in Innerösterreich, sowie in Ungarn und in Böhmen standen hinter den Auseinandersetzungen zwischen Utraquisten einerseits und Lutheranern andererseits (Confessio Bohemica 1575), wie auch zwischen Luthertum und Galvinismus im ungarischen Raum, wie auch zwischen Unterschreibern und Nichtunterschreibern der Konkordienformel in Kärnten und in Krain letztlich diese Gegensätze. War ja der Streit zwischen Flacianern und Philippisten im späteren 16. Jahrhundert in Österreich sehr ausgeprägt. Diese Linie führte Peter Barton zu der Beschäftigung mit den österreichischen Bekenntnissen, die er dankenswerter Weise zu edieren begann.

Eine ganz andere Linie führt uns in die Zeit des Barockkatholizismus und der Romantik. Das Gebiet seiner Forschung jedoch ist gleichgeblieben. Die eigentümliche Gestalt des Ignatius Aurelius Feßler führt uns in die Geistes- und Kirchengeschichte von Österreich-Ungarn, Preußens und Rußlands. Aus einem ungarischen Kapuzinerpater wird ein Anwalt des Josephinismus und ein Theologieprofessor in Galizien. Als er sich evangelischem Gedankengut aufschließt, wird er lutherischer Bischof in Saro-tow. Diese sehr umfangreichen Studien — das Buch umfaßt nicht weniger als 634 Seiten — vereinzeln sich und führen zu weiter- und tief ergehenden Forschungen über den Josephinismus, sodaß dieses Werk in mehreren Bänden erscheinen wird, von denen der erste bereits erschienen ist.

Gerade dieser Zeitraum wird dann interessant für das Toleranz Jubiläum, welches nicht nur die heutige evangelische Kirche in Österreich, sondern darüber hinaus alle evangelischen Kirchen des ehemaligen Cis-leithaniens feiern. So erschienen in diesem Jahr zwei Bände mit dem Titel "Im Lichte der Toleranz", wovon der erste von der Zusammenarbeit des Wiener Institutes mit den Nachbarkirchen Zeugnis ablegt. Der zweite Band soll sich dann auf die Kirchengeschichte des heutigen Österreich beschränken. Diese Schilderung des Schaffens Peter Bartons kann nur ein geringer Auszug aus seinen tatsächlichen Arbeiten sein. Sein Publikationsverzeichnis umfaßt mehr als 170 Nummern, worunter selbstverständlich viele Arbeiten sind, die sich um Tagesfragen drehen, welche geschichtlich durchleuchtet werden mußten. Im ganzen eine erfreuliche Tatsache, daß nach den bedeutenden Namen wie Loesche, Loserth, Didic, ein Universitätsprofessor in unserer Zeit herangewachsen ist, der sich mit seiner ganzen Lebens- und Schaffenskraft der Kirchengeschichte und Kirchenkunde Südostmitteleuropas und insbesonders mit der des Protestantismus beschäftigt. Da wir weder im Wiener Institut, in der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich, noch in der Mathesius-Gesell-schaft klein-österreichisch denken, sondern die großen Räume und ihre geistigen Beziehungen untereinander und zur Reformation überschauen und behandeln wollen, ist es uns, von der Mathesius-Gesellschaft, eine große Freude und Ehre, Ihnen, hochverehrter Herr Professor, im Rahmen der Jahresversammlung der Mathesius-Gesellschaft die Medaille des Johannes Mathesius zu überreichen. "